Am Abend des 9. November 1989 überschlagen sich die Ereignisse.
Nun sind wir Beide in einer anderen Welt aufgewacht,
die ich 1985 schon erleben durfte und deshalb die Euphorie nach dem Fall der Mauer 1989 für mich nicht mehr so dramatisch war. Plötzlich war die Grenze zum Westen offen und ein anderes Wirtschaftssystem wurde eingeführt.
Für uns als Firma war es ein kompletter Neuanfang, den wir erst verarbeiten und auf den wir uns um- und neu einstellen mussten. Durch die Grenzöffnung verbesserten sich für viele DDR-Bürger der Lebensstandard sowie die Angebote zum Einkaufen, es gab plötzlich neue Urlaubsmöglichkeiten und vieles mehr. Unsere bisherigen Produkte waren nicht mehr so gefragt und somit mussten wir unser Sortiment umstellen. Um die restlichen Produkte unserer Produktion zu veräußern, besorgten wir uns einen Marktschirm und fuhren mit unserem PKW zu den Märkten in Cottbus, Torgau, Finsterwalde, Senftenberg usw., wo wir einen relativ großen Teil der vorhandenen Waren absetzen konnten. Anfangs waren wir beide noch gemeinsam auf den Märkten, später wurden zwei Mitarbeiter eingestellt, Herr Rothe und Frau Kynast übernahmen dann den Verkauf.
Leider ist unser privater Pkw bei der Rückfahrt von Leipzig bei Eisglätte verunfallt, erfreulicherweise ohne Personenschaden. Herr Rothe wollte Ersatzteile für den Marktschirm besorgen, was dann so endete. Es gab zwar nur Blechschäden, aber wir konnten den Wartburg mit VW-Motor nicht mehr verwenden. Nun fehlte uns ein Fahrzeug, um auf den Märkten präsent sein zu können.
Ab 1990 beantragten wir einen ERP – Kredit mit etwa 40.000 DM, um einen Lieferwagen sowie einen Pkw für die Firma bestellen zu können. Wir nahmen Kontakt zu unseren Verwandten in Schwandorf auf. Sie hatten selbst eine Firma, in der sie selbst auch einige Lieferfahrzeuge im Einsatz hatten. Meine Verwandten nahmen Kontakt zu Vertriebspartnern von Mitsubishi in Schwandorf auf, und wir verhandelten über einen Lieferwagen Mitsubishi L 300 sowie über einen Pkw Mitsubishi Galant. Wir wurden uns einig und so reichte der Kredit für zwei Fahrzeuge. Was für eine große Freude und großer Dank an unsere Verwandtschaft!
Nun konnten wir wieder unsere Märkte in der Region beliefern und unsere Produkte anbieten. Wochentags fuhren die zwei Kollegen auf Märkte und am Wochenende haben wir aus Bodenmais Glaswaren und bei der Firma Wiedemann in Deggendorf Kerzen eingekauft. Für uns war das schon eine sehr stressige Zeit. Bei Wind, Regen und Schnee in der Weihnachtszeit Produkte für unsere Märkte bzw. Fachkunden zu besorgen. In der Zwischenzeit bauten wir das Haus in der Herzberger Straße 18 zum Lager aus, wo unser Vertrieb und Büro untergebracht war. Mit der Zeit waren sämtliche Kellerräume mit Regalen für die Waren vollgestellt. Zu der Zeit fuhr ich mit dem Pkw zu den Fachkunden, die wir zu DDR-Zeiten beliefert hatten bzw. zu Neukunden, wo ich versucht habe, unseren Kundenstamm zu erweitern. Ich hatte zwei Mustertaschen, wo sich die Verkaufsmuster zur Besichtigung befanden. Jetzt konnten die Fachkunden ihre Ware selbst auswählen. Ein Katalog war zur damaligen Zeit für uns finanziell nicht realisierbar. Die schlechteste Zeit für unser Geschäft war immer die Sommerzeit. Im Sommer haben die Kunden sehr wenig bestellt.
Im Februar 1990 fuhren wir dann zum ersten Mal zur Messe nach Frankfurt/Main, was für uns natürlich eine ganz neue Erfahrung war. Wir waren beeindruckt von der Vielfalt der Möglichkeiten, die sich für unsere Firma boten. Da nahmen wir die ersten Kontakte zu den Importeuren und großen Herstellern von Kerzen auf. Da wir nur wenige finanzielle Rücklagen hatten, kamen uns die großen Firmen finanziell entgegen. Die Lieferung der bestellten Produkte kamen schon im September und die Bezahlung unsererseits erfolgte erst Ende Januar. Das war für uns ein riesiger Vorteil. Durch den Messebesuch in Frankfurt/Main wurden wir dann von verschiedenen Kerzenfirmen eingeladen und konnten dort zu günstigen Preisen Produkte erstehen, die in den alten Bundesländern nicht mehr attraktiv, jedoch bei uns sehr gefragt waren. Und somit entwickelte sich unsere Firma auch in der Marktwirtschaft Schritt für Schritt. Wir hatten nicht nur Arbeit, sondern auch Erfolg. —– Da in dieser Zeit sehr viele Außendienstmitarbeiter verschiedener Firmen aus den alten Bundesländern auch ihre Geschäfte in der ehemaligen DDR abwickeln wollten, bestand eine gewisse Konkurrenz. —- In den alten Bundesländern war der farbintensive Trend schon lange vorbei. Hier wünschte man sich schlichte einfache Farben und Formen. Diese wurden von den Vertretern der alten Bundesländer in den Firmen und Geschäften angeboten. Da ich diese Situation schon längst bemerkte stellte ich eine eigenes Sortiment mit freundlichen Farben und Dekoration den Fachhandel zur Verfügung. Diese Produkte wurden sehr gern gekauft. In der Weihnachtszeit war es oftmals kaum zu schaffen Produkte zeitgemäß zu fertigen. Jetzt kam mir die Idee, eine eigene Produktion mit anderen Farben für Kerzen zu kreieren. — Da es in den Städten der früheren DDR noch sehr trist und grau aussah, wünschten sich unserer Kunden mehr intensivere Farben, Kerzen mit Glitter, Gold und Silber, gedrehte Kerzen, Stabkerzen usw. Zudem haben wir unser Sortiment erweitert mit Kerzenleuchter, Servietten, Kerzenkränzchen und mit vielen Kleinigkeiten für den Geschenke- bzw. Festtagstischbereich, die zu unserem Produktschema passten. An unserem Wohnort belieferten wir den Kunstgewerbeladen Kuchling und die Drogerie Staak mit unseren Kerzen schon zu DDR Zeiten. So besuchte der Handelsvertreter Peter Handke auch Doberlug Kirchhain um seine Produkte bei der Firma Kuchling Kunstgewerbe in Kirchhain am Markt anzubieten. Durch die Unterhaltung mit Frau Kuchling kam ihr Gespräch auf unsere Kerzen. Da Peter ein besonderes Talent zum verkaufen hatte und ein guter Verkäufer war kam er am gleichen Tag zu uns in die Herzberger Straße19 und wir lernten uns kennen. Bei einer Tasse Kaffee unterhielten wir uns über unseren und seinen beruflichen Werdegang sowie unsere Entwicklung. Er war selbständiger Handelsvertreter für Glaskunst Lauscha aus Schwedt. Noch heute sind wir Freunde und besuchen uns gegenseitig. Es macht immer Freude mit ihm über viele Themen zu sprechen. Wir debattierten über Vertriebsmöglichkeiten und kamen im Gespräch auf die Möglichkeit auch unsere Produkte auf Messen anzubieten. Zur damaligen Zeit 1991 hatte Peter schon Kontakt in Berlin bei der CDH,(Zusammenschluss von Handelsvertretern für verschiedene Produkte) aufgenommen und er hatte selbst die Absicht an einer solchen regionalen ***** Messe in Berlin teilzunehmen. Da er zur damaligen Zeit auch nicht über ein so großes Sortiment seiner Artikel verfügte fragte er bei uns an, ob wir eventuell auf seinen Stand unsere Kerzen den Fachhandel zum Verkauf anbieten möchten. Die CDH Messen sind ausschließlich Fachmessen, keine Endverbraucher Messen. Im September 1991 nahmen wir zum ersten Mal an Fachmessen als Anbieter von Kerzen teil. Durch die Teilnahme an den Messe sind wir dem Verband beigetreten, denn dieser organisierte die Messen für die Handelsvertreter. Über das Jahr wurden ca. 3 Messen im Frühjahr und 3 im Herbst angeboten die wir dann auch immer wahrgenommen haben. Durch die Teilnahme an den Messen wurden wir dann auch bekannt bei den Facheinkäufern. Jetzt konnten wir ein eigenes Vertriebsnetz mit Handelsvertretern aufbauen. Zur damaligen Zeit 1991 habe ich den Vertrieb in nördlicher Richtung bis Oranienburg und im Süden bis Oberwiesenthal und von Cottbus bis Leipzig allein betreut. !!–**Bilder*** Während eines Besuches beim Kunden kam uns wiederum ein glücklicher Zufall zur Hilfe. Ich lernte Klaus Stiller aus Neu Zauche / Spreewald durch ein Gespräch in einer Verkaufsstelle kennen. Er war damals mit Kerzen als Vertreter für eine andere Firma im gleichen Gebiet unterwegs. Unser Gespräch ergab das er mich fragte ob er für uns im Norden der Republik den Vertrieb unserer Kerzen übernehmen könnte. Ich persönlich war von ihm so begeistert das ich ihn sofort eingestellt habe. Dieses zeichnete sich im Laufe der Jahre für unsere kleine Firma besonders aus. Herr Stiller war ein sorgfältiger und gewissenhafter Mitarbeiter. Zur damaligen Zeit war es nicht möglich wie heute, DPD oder UPS zu beauftragen, die Ware zum Kunden zu bringen, sondern wir beide fuhren persönlich die Waren fertig verpackt mit Rechnung zum Kunden. Das war für uns jedoch ein höherer Aufwand, aber es gab keine Speditionen, die unsere Waren verschickte. Wenn Herr Stiller von der Verkaufstour zu uns in die Firma abends kam, da war es gerade in der Weihnachtszeit oft sehr spät. Oftmals spät am Abend packten wir in seinen PKW die Pakete die wir von der vorherigen Tour vorbereitet hatten. Oftmals war es so voll das er kaum selbst Platz hatte. Er war ein engagierter Mitarbeiter der viele Jahre bei uns in der Firma im Außendienst tätig war und ich noch heute gute Erinnerungen an ihn habe. Durch die vielen Fachmessen als Aussteller wurde die Nachfrage unserer Produkte immer größer und ich konnte dann selbst nicht mehr im Außendienst tätig sein. Wir stellten einen neuen Kollegen aus Finsterwalde, Peter Krautschick, als Außendienstmitarbeiter für den südlichen Bereich der Republik ein. Er übernahm dann meinen Vertrieb im Süden der ehemaligen DDR. Und somit machten wir zusätzlich Verträge mit drei freien Handelsvertretern die über Provision abgerechnet wurden und nicht bei uns Angestellte waren. Bei aller Euphorie ist auch zu beachten, dass wir ein Saisonbetrieb waren. Über die Sommerzeit nach Ostern war es schwer unsere Produkte zu verkaufen. Von September bis Weihnachten konnten wir oftmals kaum die Anfragen unserer Kunden realisieren. Auch bei Messen war unser Ausstellungsstand immer sehr gut besucht, was natürlich andere Handelsvertreter als Anlass nahmen bei uns anzufragen ob sie eventuell den Vertrieb unserer Produkte auch als freie Handelsvertretung übernehmen könnten.
*Stand* 25-3-24 –12 Uhr