Chronik: Rösler – Kerzen
Der Anfang: Von der Idee zur Umsetzung
Meine Eltern
1943 Mitten in der Kriegszeit, heirateten meine Eltern.
Meine Eltern, das waren meine Mutter Erna Rösler, geborene Jetzschmann und mein Vater Fritz Rösler. Er war von Beruf Schmiedemeister und besaß in Sonnewalde in der Schlossstraße, gleich gegenüber der Kirche eine Schmiede mit Wohnhaus. Unten befand sich die Schmiede, obendrüber die Wohnung. Mutter arbeitete in einer kleineren Brauerei, der Firma Niclas in der Produktion.
Am 12. Februar 1945 erblickte ich, Wolfgang Rösler, als strammer Bub in meinem Elternhaus das Licht der Welt.
Als 1945die Russen Sonnewalde einnehmen wollten, verteidigte der deutsche Volkssturm die Stadt, woraufhin die Russen das Feuer eröffneten. Dabei brannte Vaters Schmiede und unser Zuhause ab.
Nun hatte Mutter mit ihrem gerade erst geborenen Baby kein Dach mehr über dem Kopf. Ihr Mann, mein Vater, war im Krieg. Aber sie hatte Glück, denn gleich gegenüber, in der Schlossstraße 19, in der oberen Etage, bekam sie für sich und ihr Kind eine Wohnung zugewiesen. Drei kleine Räume, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Das war mehr, als andere hatten. Im Erdgeschoss desselben Hauses fanden auch meine Ur- Großeltern, Vaters Bruder Bernhard und seine Frau Irmgard einen Zufluchtsort. Auch der frühere Bürgermeister von Sonnewalde zog in das Haus mit ein.
Nach dem Krieg baute sich Vaters Bruder auf dem abgebrannten Familien-Grundstück wieder ein Haus. Dort zog er mit seiner Frau, mit Uropa Emil, Tante Frieda und Oma Alma, Vaters Mutter ein. Die abgebrannte Schmiede wurde später geräumt und das vorhandene Grundstück zur Grünfläche gemacht.
Mutter hatte meine Oma Hedwig zu uns geholt. Sie kümmerte sich um mich und um den Haushalt, wenn Mutter zur Arbeit ging.
Den letzten Brief, den mein Vater schrieb, erhielt seine Mutter aus Danzig Gutenhafen. Nach Aussagen des Deutschen Roten Kreuzes kam er mit einem Schiff in der Ostsee zu Tode. Mein Vater und ich haben uns nie kennengelernt.
Meine Schulzeit
1951 wurde ich in Sonnewalde eingeschult.
Naja, Schule war nicht so meins. Da gab es doch in unserem Städtchen viel schönere Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen, wie zum Beispiel spielen, toben und Blödsinn zu machen.
Nach dem Krieg war die Umgebung von Sonnewalde für uns Kinder wie ein Paradies. Überall gab es etwas zu entdecken, unsere Phantasie kannte keine Grenzen. Es gab das Schloss, den Schlossberg, den Schloss-Teich und viel Wald. Das alles war für mich viel interessanter als die Schule.
Hausaufgaben machen war auch nicht so meins. Ach die arme Oma, da hatte sie es wirklich nicht leicht mit mir. Ich sagte Oma, dass ich aufs Klo müsste und zack war ich weg. Wir besaßen im Haus keine Toilette und mussten deshalb nach draußen aufs Plumpsklo. Diese Möglichkeit des Entkommens nutzte ich oft, um die Schularbeiten zu schwänzen.
Mit meinen Freunden Horst Lischka und Rainer Dißler hatte ich eine sehr schöne Kindheit gehabt und viel Zeit mit ihnen verbracht. Viele Spiel- und Versteckmöglichkeiten gab es vor allem im alten Schloss, das 1949 ausgebrannt war. Auf einer ca. zwanzig Meter hohen Tanne in der Fasanerie des Schlosses bauten wir uns eine Bude. Mit halb durchgeschnittenen Flugzeugtanks waren wir Kapitän und Matrosen und paddelten damit über den Schlossteich. Im Landgraben bei Sonnewalde fischten wir oft und gerne. Einmal fingen wir sogar mit der Schlinge zwei Hechte, die uns Horst seine Oma briet. Oh war das lecker. Im Winter waren vor allem Rodeln, Schlittschuh- und Schneeschuhlaufen auf dem Schlossberg angesagt.
Ein kaputter Wecker und das Erwachen meines Bastel-Gens
Zu Weihnachten bekam ich von meiner Tante einen größeren, aber kaputten Wecker geschenkt. Mein Bastler-Gen war geweckt! Den wollte ich sofort auseinanderbauen.
Nachdem ich ihn geöffnet und die Unruhe entfernt hatte, beobachtete ich, dass sich die Räder plötzlich anfingen zu drehen. Das hörte sich für mich wie das Geräusch einer Haarschneidemaschine an. Vielleicht konnte ich damit Haare schneiden?
Das wollte ich ausprobieren. Ich nahm den Wecker mit dem Haarschneidegerät-Geräusch und setzte ihn an die Haare meiner Mutter. Das war eine dumme Idee, denn die Haare gerieten dabei in die Zahnräder des Weckers und verhedderten sich. Es ging nichts mehr. Da konnte ich mir aber was von Muttern anhören! Total verärgert schickte sie mich zum Uhrmacher.
Ich nahm die Beine in die Hand und rannte so schnell wie möglich zu seinem Geschäft. Mit den Worten: „Meine Mutter hat eine Uhr im Kopf“, bat ich ihn um Hilfe. Schnell kam er mit mir nach Hause und sah sich die Bescherung an. Er musste jedes einzelne Zahnrad aus den Haaren meiner Mutter entfernen.
Ja, ich war schon früh kreativ und neugierig, nur in der Schule war ich es nicht!
Mutter nahm Verbindung mit meiner Lehrerin Frau Ziegler auf, die mir in ihrer Wohnung Nachhilfeunterricht gab. Sehr viel geholfen hat es aber nichts.
1952 starb meine liebe Oma Hedwig.
Ein neuer Mann tritt in unser Leben
1953 Meine Mutter lernte in Ossak bei Sonnenwalde, bei einer Tanzveranstaltung, ihren zweiten Ehemann kennen. Wenige Monate danach zogen wir zu ihm nach Doberlug-Kirchhain, in die obere Etage seines Elternhauses. Seine Eltern wohnten in der unteren Etage.
Mutter arbeitete jetzt als Stahlflechterin für das „Baugeschäft Lehmann“ in Doberlug-Kirchhain. Mein Stiefvater war als Einkäufer für den Volkseigenen Erfassungs- und Ankaufbetrieb, kurz „VEAB“, tätig.
Für mich war die unbeschwerte Zeit, wie ich sie in Sonnewalde erlebte zu Ende. Zu Beginn war mir alles fremd. Der neue Mann an Mutters Seite, seine Eltern, unser neues Zuhause. Die neue Schule, die Kinder und Lehrer dort. Ich tat mich schwer, mich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. So wohl wie in unserem alten Zuhause habe ich mich dort nie gefühlt. Trotz allem war ich weiter Hans in allen Gassen. Bald fand ich auch hier wieder Freunde, mit denen ich meine Interessen und Hobbys teilen und Blödsinn machen konnte.
1957 kam meine Halbschwester Marina auf die Welt.
Fahrradunfall
1960 Wie es damals so üblich war, ging ich während der Ferien arbeiten, um mir etwas Geld zu verdienen.
So fuhr ich wochentags mit dem Fahrrad nach Finsterwalde in die Schraubenfabrik. Früh hin, am Nachmittag wieder nach Hause.
An einem windigen Tag hängte ich mich während der Fahrt hinter ein Moped, um nicht so viel vom Fahrtwind abzubekommen. Dabei passierte der Unfall.
Weil ich nicht richtig aufpasste, berührte mein Vorderrad das Hinterrad des Mopeds, so dass ich mit dem Gesicht voran auf die Straße stürzte. Dabei zerbrach mir der rechte Vorderzahn. Dass ich mir weitere Schäden zuzog, erfuhr ich erst viel später. Trotz des Sturzes ging ich zur Schraubenfabrik und erledigte dort meine Arbeit. Ich war mit meinen vierzehn Jahren, was solche Dinge betraf unerfahren, und machte mir keinerlei Gedanken wegen meiner Gesundheit.
Wochen später ging ich dann doch zum Arzt, da ich seit dem Unfall mit einem hängenden Augenlid zu kämpfen hatte. Er vermutete als Folge des Unfalls eine Gehirnblutung und überwies mich deshalb sofort nach Leipzig ins Krankenhaus. Dort war ich fast ein Jahr Patient.
Mein schlaffes Augenlid blieb. Man konnte mir damals diesbezüglich nicht helfen. Diese Behinderung hat mich viele Jahre nicht nur körperlich, sondern auch psychisch belastet. Erst Jahrzehnte später, als ich fast schon Rentner war, konnte mir durch eine Operation geholfen werden. Nachdem mir ein Muskel im Augenbereich gekürzt wurde, konnte ich endlich mein Augenlied wieder benutzen. Ich war und bin heute noch sehr erleichtert darüber.
Durch die Folgeschäden meines Unfalls wurde ich ausgemustert und musste nicht zur Armee.
Lehrzeit
1961 Ganz nach der Operette „Der Zigeunerbaron“: „Ja, das Schreiben und das Lesen war nie mein Fach gewesen“, verließ ich auf Grund meiner schlechten Schulnoten die Schule schon mit der siebten Klasse. Eigentlich war für mich eine Lehre in der LPG vorgesehen. Mutter wehrte sich aber dagegen und organisierte für mich eine Lehrstelle, die mir mehr lag. Dafür bin ich ihr heute noch sehr dankbar. So begann ich 1961 meine Lehre als Wagenbauer-Schmied bei der Firma „ Wilde Wagen- und Fahrzeugbau“ in Doberlug-Kirchhain.
1964 Nach dreijähriger abgeschlossener Lehrzeit wechselte ich die Arbeitsstelle und wurde Maschinist im Kraftwerk Vetschau.
Grund des Arbeitswechsels war, dass mich mein Lehrberuf nicht erfüllte. Meine Hauptbeschäftigung war es dort, den ganzen Tag Instrumente abzulesen. Das war mir einfach zu eintönig.
1965 begann ich dann bei „Bergmann Borsig Berlin“ als Turbinenmonteur. Jetzt war ich Montagearbeiter, indem ich für sie auf verschiedenen Baustellen der Republik arbeitete.
Fast 25 Jahre war ich für diese Firma als Turbinenschlosser unterwegs, bis ich in die Materialwirtschaft der Firma nach Lubmin wechselte.
Bärbel tritt in mein Leben
1966 Bei einer Tanzveranstaltung in Finsterwalde lernte ich meine Frau Bärbel kennen. Ich forderte sie damals zum tanzen auf und kam mit ihr ins Gespräch. Dabei erfuhr ich, dass sie Bärbel heißt und dass sie aus Sonnewalde kommt.
Zur späten Stunde, wir tanzten immer noch, schaute Bärbel auf die Uhr und stellte fest, dass sie den Bus verpassen wird.
Jetzt hatte meine Stunde geschlagen. Ich nutzte sofort die Gelegenheit und bot ihr an, sie mit meinem Roller „Troll“ nach Hause zu fahren. Erfreut darüber, dass sie mein Angebot annahm, fuhr ich sie mit meinem flotten Zweirad nach Hause. Der Abend schien auch Bärbel gefallen zu haben, denn sie sagte einem zweiten Rendezvous gleich am nächsten Tag zu.
Leider verfehlten wir uns um eine Stunde. Wer falsch hingehört hatte, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Aber ich gab nicht auf und machte noch am selben Tag einen zweiten Versuch, der von Erfolg gekrönt war. Ich mochte diese junge Frau und sie mich.
Ich war ja eigentlich schon vergeben, aber total unglücklich mit meiner damaligen Verlobten, die eine ganze Ecke von mir entfernt wohnte. Deshalb war das mit Bärbel vielleicht auch nur zuerst Freundschaft, die sich dann aber im Laufe der Zeit in große Liebe umwandelte. Ich löste meine frühere Verlobung auf und habe es keinen Tag bereut.
Bärbel und ich unternahmen viel gemeinsam, waren oft mit meinem Roller unterwegs und machten Urlaub an der Ostsee. Sie wurde und ist nicht nur meine große Liebe, sondern auch beste Partnerin und Freundin. Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können. Bis heute sind wir ein gutes Team, in guten wie in schlechten Zeiten. Ich möchte sie keine Minute missen.
Jetzt waren wir ein Paar. Natürlich wollten wir uns so oft wie möglich sehen. Und so kamen wir zu dem Beschluss, für Bärbel in meinem Wohnort eine kleine Wohnung, bzw. ein Zimmer zu suchen. Ersteres war zu DDR-Zeiten fast ein Ding des Unmöglichen.
Wir fanden für sie ein schönes Zimmer, das wir als gemütliche Wohnküche umfunktionierten. Jetzt war auch ihr bis dahin bestehendes Problem, auf Arbeit zu kommen, gelöst.
Bärbel hatte jetzt in Doberlug-Kirchhain eine viel bessere Anbindung zu ihrem Arbeitsplatz nach Finsterwalde. Sie war dort Bankangestellte in der Landwirtschaftsbank.
Aber das Wichtigste für uns war, sie lebte jetzt im gleichen Ort wie ich und wir hatten ein ruhiges Plätzchen für unsere Zweisamkeit. Zur damaligen Zeit, war es gar nicht so einfach, die zu finden. Wohnte man doch oft beengt mit den Eltern, die meist ein wachsames Auge auf die Jugend hatten.
Hochzeit
1968 erkrankte ich an Gelbsucht und kam nach Finsterwalde ins Krankenhaus und in Quarantäne. Meine Familie und meine Freundin durften mich in dieser Zeit nur noch durch die Scheibe kontaktieren. In dieser Zeit legte meine Mutter meiner Bärbel nahe, so schnell wie möglich zu heiraten, schon der Leute wegen. Ich sah das eigentlich nicht so. Ich hatte geplant, meine Freundin erst im Mai 1969 zu heiraten. Aber meine Mutter und Freundin ließen nicht locker, und so willigte ich ein.
Am 26. Oktober1968gaben wir uns im Doberluger Standesamt das Ja-Wort.Jetzt waren wir Mann und Frau.
Unser beider Wunsch war es, irgendwann mal eine Familie zu gründen. Dafür wollten wir erst einmal eine richtige Basis schaffen. Ein eigenes Nest musste für uns her.
Haus- und Grundstücksbesitzer
In der Straße, wo auch meine Eltern wohnten, stand zufälligerweise ein Haus mit Grundstück zum Verkauf, für das wir uns sehr interessierten.
Nach einer Besichtigung machten wir Nägel mit Köpfen und kauften in Doberlug Kirchhain das Grundstück Herzberger Straße 19. Natürlich gingen wir davon aus, dass das Wohnhaus, welches auf unserem Grundstück stand, von uns bezogen werden kann.
Aber wir wurden eines Besseren belehrt. Wir erfuhren, dass in der DDR gesetzlich festgelegt war, dass der Kauf eines Grundstücks mit Immobilie nicht zum Einzug in das vorhandene Haus berechtigte. Alle zur Verfügung stehenden Wohnungen wurden dementsprechend von der „Stadt“ Doberlug-Kirchhain zugewiesen. Auch wenn wir jetzt die Grundstücksbesitzer waren, besaßen wir nicht das Recht, dort einzuziehen. Ob wir wollten oder nicht, wir mussten der von der Stadt zugewiesenen Familie unsere Wohnung zeigen.
Aber wir hatten großes Glück, denen war die Wohnung viel zu klein. Erst jetzt bekamen wir einen Teil der Zimmer zugewiesen und freuten uns riesig darüber. Wir versuchten, das Beste daraus zu machen und schafften uns ein schönes Zuhause.
Für das übrig gebliebene Zimmer wies uns die Stadt eine neue Mieterin zu, die auch bei uns einzog. Aber bald wurde ihr das Zimmer zu klein, denn sie wurde schwanger. Und so kam es, dass die Stadt uns auch dieses Zimmer befürwortete.
Nun hatten wir die untere Wohnung für uns ganz allein. Je zwei Zimmer, vier Meter mal drei Meter groß, eine Küche drei Meter mal vier Meter groß sowie einen kleinen Raum von vier Meter mal einem Meter sechzig.
Ein Bad besaßen wir noch nicht, die Toilette war noch draußen auf dem Hof. Aber das wollten wir mit dem neuen Zimmer so schnell wie möglich ändern und bauten für unsere kleine Wohnung ein Bad mit Toilette. Was für ein Luxus in der damaligen Zeit.
Wir gehen auf Montage
1970. Zwei Jahre später beschlossen wir, dass auch Bärbel auf Montage geht, mit mir zusammen. Wir wollten uns finanziell verbessern. Das Einkommen hier in unserer Heimat war nicht besonders groß gewesen.
Und sobegannen wir im oben genannten Jahr unsere gemeinsame Tätigkeit bei der Firma „Bergmann Borsig“ in Thierbach bei Leipzig.
Bärbel stellte man als gelernte Bürokauffrau für die Lohnabrechnung ein. Ich wurde Material-Disponent.
Dort in Leipzig stellte man uns als Paar ein Zimmer mit Küche und Bad zur Verfügung, in dem wir uns sehr wohl fühlten. Wir arbeiteten täglich zwölf Stunden. Danach bekamen wir ein paar Tage frei, die wir dafür nutzten, unser Eigenheim umzubauen.
Mit 50 Mark in der Woche kamen wir zu DDR-Zeiten gut aus. In Hinblick auf ein baldiges schönes Zuhause, lebten wir gerne sparsam.
Nach getaner Arbeit fuhren wir jeden Freitag mit dem Zug wieder in unsere Heimatstadt zurück und modernisierten unser Grundstück.
Es war eine schöne Zeit. Einmal im Monat fuhren wir mit dem Bus nach Leipzig, gingen dort ins Kino „Capitol“ und anschließend in die Broilerbar, in der wir mit großem Appetit ein köstliches Hähnchen verspeisten. Das war für uns immer der Höhepunkt des Monates. Danach ging es für uns mit dem Bus zurück in unsere Unterkunft.
Uns fehlte es an nichts, wir waren glücklich. Wir konnten zusammen sein, das war das Wichtigste für uns.
Von einer Baustelle zur anderen
Wie es bei der Montage so üblich ist, wanderten wir von einer Baustelle zur anderen.
Unsere nächste Arbeitsstätte war 1974 das Kernkraftwerk Nord in Lubmin an der Ostsee. Dort erlebten wir die schönste Zeit, verdienten gutes Geld und hatten viele Freunde, mit denen wir nach der Arbeit unsere Freizeit verbrachten.
Nach getaner Arbeit schlenderten wir an die Anlegestellen der Fischkutter und kauften dort frischen Zander, Aal oder andere Fische, die wir dann abends gemeinsam mit unseren Freunden verspeisten. Diese Abende erlebten wir immer in entspannter und gemütlicher Atmosphäre.
Unser erstes Auto
1969 hatte ich mich für einen PKW angemeldet. Die Wartezeit für ein Auto betrug damals in der Regel acht bis zehn Jahre. Zu dieser Zeit arbeitete ich für das Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth. Auf Arbeit ging eine Liste um, in die man seine Autobestellung eintragen konnte, was ich auch tat.
Ein paar Jahre später, wir können uns leider nicht mehr genau erinnern, in welchem Jahr genau, erhielten wir Post vom Autohaus „Unter den Linden“ aus Berlin. Darin wurden wir aufgefordert, unser Auto zum Heimatort umzumelden.
Als wir kurz darauf mit der Bahn wieder zu unserem Arbeitsplatz nach Thierbach fuhren, machten wir einen Abstecher in Berlin, um ins besagte Autohaus zu gehen.
An dessen Eingangstür hing eine Liste mit den Bestellnummern der abzuholenden PKWs. Gut, dass die uns wegen der Ummeldung informiert hatten, denn beim durchlesen der Liste stellten wir fest, dass unsere Bestellnummer schon über ein Jahr überfällig war.
Als wir dem Verkäufer unsere Bestellung unter die Nase hielten, war er darüber sehr verwundert. Er meinte, wir hätten unsere Autobestellung eigentlich zu uns nach Hause ummelden müssen. Wir stellten uns dumm und sagten ihm, dass wir nichts von einer Ummeldung wüssten und dass wir jetzt gern unser Auto in Empfang nehmen würden.
Überfordert mit unserem Problem ging der Verkäufer damit zu seinem Vorgesetzten. Der kam mit der Information zu uns zurück, dass wir noch etwas Geduld haben sollten, denn beim Ministerium in Berlin würde gerade jetzt genau über dieses Problem beratschlagt. Er versprach uns zeitnah zu informieren, wenn eine Entscheidung gefallen ist.
Er hielt sein Wort. Etwas später erreichte uns der Anruf vom Autohaus mit einer guten Nachricht. Es wurde zu unseren Gunsten eine Sonderregelung getroffen. Und so konnten wir innerhalb von vier Wochen unser nagelneues Auto, einen neuen lindgrünen „Skoda S 100“ in Empfang nehmen.
Unsere Freude war groß.
Wir bekommen ein Kind
1977 war für Bärbel die Montage zu Ende. Zu unserer großen Freude erwarteten wir unser erstes Kind. Unser Sohn Frank war unterwegs.
Nun hatten wir aber auch wieder ein Problem. Ein Platzproblem! Wir brauchten für unseren Nachwuchs dringendst ein Kinderzimmer. Aber das Glück war mit uns. Der Mieter, der die obere Etage unseres Hauses bewohnte, hatte dasselbe Problem. Er brauchte dringend mehr Wohnraum für seine Familie und war im Begriff, ein Grundstück zu kaufen.
Als er bei uns ausgezogen war, stellten wir bei der Stadt erneut einen Antrag auf den frei gewordenen Wohnraum. Aber wieder lehnte man unser Gesuch ab. Ärgerlich drohte meine Frau mit einem Schwangerschaftsabbruch und siehe da, wir bekamen die zwei Zimmer zugeteilt.
Nun endlich war es so, wie es sein sollte, wir hatten das Haus für uns. Jetzt konnten wir mit der Renovierung der oberen Etage beginnen. Um Kosten zu sparen, vollbrachten wir den gesamten Umbau in Eigenleistung.
Eine gedrechselte Kerze verändert unser Leben
1982 verbrachten wir in Waldheim einen schönen Urlaub. Zum Abschied schenkten uns die Herbergsleute eine schöne Kerze, die seit dem unser Wohnzimmer ziert. Eines Tages brachte mich genau diese Kerze beim Betrachten auf eine Idee. Wir könnten doch selbst diese Kerzen in Heimarbeit herstellen. Keine gewöhnlichen Haushaltskerzen, nein prunkvoll verzierte Kerzen. Die waren absolute Mangelware.
Als ich meiner Frau von dieser Idee erzählte, war sie davon sehr angetan.
Die Vorbereitungen dafür begannen aber erst einmal nur im Kopf. Bis wir unseren Plan realisieren konnten, sollten noch ein paar Jahre vergehen.
Wie stellt man überhaupt Kerzen her? Was müssen wir beachten,
was für Materialien brauchen wir und welche Maschinen? Wo könnten wir sie produzieren? Wir begannen zu recherchieren.
1983 kam unsere Tochter Manuela auf die Welt. Die Freude war wieder groß. Nun war unsere Familienplanung komplett.
Schritt für Schritt
Auf Montage war es in der Regel so, dass die Beschäftigten zum Feierabend abends in der Gaststätte saßen.
Mir lagen diese ständigen Kneipenbesuche nicht, ich suchte mir lieber Arbeit. Ich nutzte meine Freizeit lieber dafür, um in der riesengroßen Werkstatt von der Firma „Bergmann Borsig“ in Jänschwalde zwei Drechselmaschinen zu bauen, die der Grundstein für unsere zukünftige Kerzenmanufaktur sein sollten.
Die Maschinen bestanden aus verschiedenen Einzelteilen, wie Motoren, Magneten und Spannvorrichtungen, die ich mir von den Schrottplätzen holte. Daraus baute ich die dafür nötigen Antriebe.
Mir blieb nichts anderes übrig, denn in der DDR gab es keinen Großhandel, wo man diese Teile als Privatperson erwerben konnte. Selbst bestimmte Messer musste ich selbst anfertigen, die wir später für die Formgebung der Kerze brauchten.
Zu Hause besaß ich auch eine Werkstatt. Dort konnte ich die Einzelteile, die ich bei Borsig vorgefertigt hatte, zusammenbauen.
Haushaltskerzen gab es in der DDR als Staatsreserve in vielen Geschäften zu kaufen. Jedoch bei der Menge Rohkerzen, die wir für unsere spätere Produktion benötigen würden, mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.
Für diese Mengen gab es nur den Großhandel, der die Kerzen vom Kombinat „Wittol Haushaltskerzen Wittenberg“ erhielt.
Für den Notfall, dass es zu Stromsperrungen in der DDR kommen könnte, würde „Wittol“ die für uns dafür notwendige größere Menge von Rohkerzen bereitstellen.
Besuch in die BRD/ Wir machen Nägel mit Köpfen
Ab 1986 gab es für DDR-Bürger, die in der BRD ab einem Alter von 80 Jahre Verwandtschaft hatten, eine Sonderregelung zu Reisen dort hin.
Man bekam die Möglichkeit, diese Verwandtschaft zu besonderen Anlässen zu besuchen. Mit einer persönlichen Einladung von Ihnen stellte man dann einen Antrag auf Besuch in die BRD. Wenn man Glück hatte, wurde sie genehmigt.
Ausgenommen von dieser Regelung waren Geheimnisträger der DDR oder Personen, die in der DDR politisch im Fokus der Staatssicherheit waren.
Ich hatte Glück. Tante Ella aus Hannover Langenhagen hatte mich zu ihrem 80. Geburtstag eingeladen. Der Besuchsantrag, den ich darauf hin gestellt hatte, wurde genehmigt.
Drei Wochen durfte ich zu meiner Westtante reisen, jedoch ohne meine Frau. Bestimmt hatte man Bedenken, dass wir als Paar drüben bleiben.
Ein Jahr später, war es Bärbel, die zu Tantes Geburtstag reisen durfte. Natürlich ohne mich.
In den drei Wochen, die ich dort verweilte, besuchte ich all die Verwandten, die wir dort hatten.
Die erste Station war Hannover Langenhagen, wo ich mich eine ganze Woche lang aufhielt. In den ersten drei Tagen fuhr ich jeden Tag in die Stadt, um mich in den vielen Kaufhäusern umzusehen. Aber irgendwann war ich von dem Ganzen übersättigt, denn die Eindrücke dort wiederholten sich mehr oder weniger.
Bei der Geburtstagsfeier meiner Tante wurde mir durch die Gespräche dort sehr bewusst, dass die Verteilung des Geldes in der BRD anders gelagert war als bei uns. Dort waren die Geschäfte zwar voll, es gab Waren noch und nöcher, aber viele hatten gar nicht das Geld dafür. Auch wenn sie besser verdienten, so waren doch deren Mieten und vieles andere mehr, etwas man zum Leben brauchte, erheblich teurer als bei uns.
In der DDR gab es in den Geschäften bei weitem nicht so viele Konsumwaren. Umso größer war der Freudefaktor, wenn man mal was erhaschen konnte. Es war nicht selbstverständlich, dass man das, was man gerade gebrauchte, auch gleich bekam. Dafür war unser Leben, was Miete, Strom und Wasser, wie auch alles, was unsere Kinder betraf, zum Beispiel der Besuch des Kindergartens, das Schulessen usw., von den Kosten her bedeutend annehmbarer.
In der Woche, in der ich bei meiner Tante Ella verweilte, schlug ich vor, ihr die Küche zu renovieren. Sie nahm dass Angebot gerne an und ließ mich machen. ´
Für meinen Einsatz erhielt ich von ihr eine großzügige Summe. 2000,- DM.
Geld, das ich für unsere zukünftige Gewerbetätigkeit nutzen wollte. Und so kaufte ich uns in Hannover einen „Schneider- Computer“ mit Diskettenlaufwerk, einen Drucker und für unsere persönliche Freude zum Musik anhören ein CD- Abspielgerät.
Mein nächstes Ziel war Hamburg. Dort lebte Bärbels alleinstehender Cousin Kurt. Er zeigte mir alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, natürlich auch die Reeperbahn und vieles mehr, wie den Hafen usw..
Danach fuhr ich zu Bärbels Verwandtschaft nach Schwandorf in Bayern.
Ihnen haben wir sehr viel zu verdanken.
Sie nahmen sich die Zeit und erklärten mir die Zusammenhänge der Marktwirtschaft und sie führten mich in die Welt der Kerzen ein. Bärbels Cousin Günter war Geschäftsführer der Firma „Sachs Maschinen und Werkzeuge“ in Schwandorf. Er wusste, von was er sprach. Günter, den unser Vorhaben, eine Kerzenmanufaktur zu gründen, sehr imponierte und interessierte, präsentierte mir mit Begeisterung die Welt der Kerzen.
Zuerst besorgte er mir in Bayern einen Besichtigungstermin bei der „Kerzenmanufaktur Wiedemann“. Dort bekam ich einen guten Einblick in die Welt der Kerzenproduktion und erfuhr alles, was über die Gestaltung von Kerzen wichtig ist. Weiterhin besuchte er mit mir ein paar Kunstgewerbegeschäfte, in denen ich verschiedene Formen und Modelle von Kerzen betrachten konnte und sie dann als Idee und Vorlage für unsere zukünftige Kerzenherstellung einkaufte. Auch Zubehör für die Kerzen, wie Kerzenleuchter, Servietten und so einiges mehr, welches wir für unser zukünftiges Geschäft benötigten, wanderten in meinen Einkaufskorb.
Noch heute sind wir Günter für seine Hilfe sehr dankbar.
Das Geld von Tante Ella war für unsere Zukunft also gut angelegt.
Ich lerne Computer
Damals gab es noch kein Internet, auch gab es kaum Literatur über die Kerzenherstellung. Die Führung durch die Kerzenmanufaktur war für mich eine ganz besondere, wichtige und sehr notwendige Erfahrung.
Damals hatte ich keinerlei Ahnung von Computern, in der DDR war man noch nicht so weit. Als ich erfuhr, dass es in einer Berliner Universität einen „Schneider-Computer-Club“ geben würde, meldete ich mich dort sofort an. Ich wollte unbedingt Erfahrungen sammeln, was seine Technik betraf und besuchte ihn acht Monate lang. In den Lehrgängen ging es hauptsächlich um Programme und ums programmieren.
Von einem Clubmitglied ließ ich mir ein Computerprogramm anfertigen, mit dem ich später Rechnungen an unsere Kunden mit nur wenigen Handgriffen erstellen konnte.
Meine am Computer geschriebenen Schreiben an die Behörden waren immer ein besonderes Erlebnis. In deren Büros wurde alles nur mit Schreibmaschinen geschrieben. Umso mehr waren sie über meine mit Computer geschriebenen Briefe ziemlich beeindruckt.
Für mich war das Erstellen von Briefen auf dem Computer die erste praktische Möglichkeit, dessen Technik besser zu verstehen, sie anzuwenden und zu verbessern.
Unsere Kerzen-Produktion kann beginnen
Man hatte in der DDR die Möglichkeit, Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Topflappen, Taschentücher oder andere Sachen in Geschäften anzubieten. So bekam man die Möglichkeit, sich etwas dazu zu verdienen. Dafür brauchte man aber von der Behörde eine Preisgenehmigung.
Also auch wir.
Diese Aufgabe übernahm meine Frau.
Gewusst wie. Für das bevorstehende Gespräch zog sie sich und unsere kleine Tochter nicht allzu modern an. Damit wollte sie in der Behörde den Eindruck erwecken, dass wir das Geld für unsere Kinder unbedingt benötigten.
Mit Manuela an der Hand ging Bärbel nun zum Rat des Kreises um vorzusprechen. Dort traf sie zum Glück auf offene Ohren. Die Mitarbeiterin des Amtes für Wirtschaft in Finsterwalde begrüßte unser Vorhaben und vergab für unsere Kerzen die Preisgenehmigung.
Die wurde vom Amt mit 2,50 M vorgeschlagen. Unsere Vorstellung für den Preis einer gedrechselten Kerze war allerdings eine ganz andere.
Schon im Vorfeld hatten wir uns über die gesamte Preisgestaltung der Kerzen kundig gemacht und eine niedrigere Summe als Grundlage für diese festgelegt. Wir hatten berechnet, dass der Einkauf im Großhandel 20 Pfennig für uns betragen würde, die Großhandelsabgabe mit 30 Pfennig beglichenwäre. So ständen für uns 80 Pfennig als reine Einnahme zur Verfügung.
Nun endlich konnte unsere Produktion beginnen.
Der Bezug vom Grundmaterial Kerzen war für uns kein Problem. Die konnten wir palettenweise vom Großhandel beziehen. Reklamationen, zum Beispiel krummen Kerzen, nahm der Großhandel anstandslos wieder zurück, so dass wir immer eine gute Qualität zur Verfügung hatten.
Kerzen sind ein sensibles Produkt, das nicht einfach zu bearbeiten ist. Aus diesem Grund probierten wir erst einmal verschiedene Herstellungsmethoden aus. Zum Schluss entschieden wir uns, die Kerzen vor ihrer Bearbeitung auf 35 Grad Celsius anzuwärmen. Dadurch wurden sie elastischer und konnten besser verarbeitet werden.
Um das auch umsetzen zu können, hatte ich speziell dafür einen automatischen Wärmeofen gebaut, mit dem die Temperatur immer gleich bleiben konnte.
Wir konnten in ihm rund 400 Kerzen vormittags und auch abends einlagern und sie nach Erreichen der Temperatur Stück für Stück per Hand bearbeiten.
Nun kamen auch meine zwei Drechselbänke zum Einsatz. Ich versuchte Arbeitsgänge zu verbessern und fand Lösungen. Zum Beispiel, wie wir die Einspannung der Kerzen optimieren könnten. Nämlich mit Magneten!
So mussten wir nur noch den Motor und das Einsetzen der Kerze mit dem Fuß steuern. Alle anderen Arbeitsgänge zur Herstellung von Kerzen wurden per Hand durchgeführt.
Nach meinen Ideen fertigte ich drei Formmesser an, die wir zum Musteranbringen der Kerzen benötigten.
Um unserem Produkt einen höheren optischen Wert zu geben, verzierten wir anschließend die in die Kerzen gedrechselten Rillen mit Hilft eines kleinen Pinsels mit den Farben Gold, Silber oder Kupfer.
Wie bei vielen hat auch bei uns alles mit Liebe angefangen, die bis heute nach 56 Jahren Ehe immer noch etwas Besonderes ist. Wir hatten uns bei einer Tanzveranstaltung in Finsterwalde kennen gelernt. Bärbel verpasste nach der Tanzveranstaltung den Bus nach Sonnewalde und somit hatte ich die Möglichkeit sie mit meinen
Roller Troll nach Sonnewalde zu fahren. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, wo wir uns in der Zeit um 1 Stunde verfehlten. Ich machte am gleichen Tag den zweiten Versuch, dann hat es mit unserem Treffen geklappt.
Wir hatten uns 1966 kennen gelernt und haben dann im Oktober 1968 geheiratet. Gemeinsam war es unser Ziel, eine Familie zu gründen. Zur damaligen Zeit arbeitete Bärbel bei der Deutschen Bauernbank im Finsterwalde. 1965 nach meiner Lehrzeit nahm ich im Kraftwerk Vetschau die Tätigkeit als Turbinenschlosser bei der Firma Bergmann Borsig Berlin an. Zu dieser Zeit versuchten wir uns in Doberlug Kirchhain in der Herzberger Straße 19 eine neue Bleibe für uns beide zu schaffen und kauften das Grundstück. Leider verlief unser Plan nach dem Kauf des Objektes in der Herzberger Straße nicht so wie wir es uns vorgestellt hatten. Da 1968 alle zur Verfügung stehenden Wohnungen durch die Stadt Doberlug-Kirchhain zugewiesen wurden und für unser Grundstück schon eine andere Familie vorgesehen war, hatten wir keine Berechtigung in unser gekauftes Haus einziehen zu können. In der DDR gab es ein Gesetz, dass der Kauf einer Immobilie nicht zum Einzug berechtigt. Wir mussten der zugewiesenen Familie unsere Wohnung zeigen, jedoch war diese für sie zu klein. Somit hatten wir die Möglichkeit, einen Teil der Zimmer selbst zu nutzen. So versuchten wir das Beste daraus zu machen. Es wurde uns eine neue Mieterin zugewiesen, die in der unteren Wohnung ein Zimmer separat benutzen durfte. Da sie nur ein Zimmer hatte und ein Kind erwartete wurde diese Wohnung für sie zu klein. Sie war nur kurze Zeit in der Wohnung. Danach wurde uns das Zimmer von der Stadt zugesprochen. Nun hatten wir die untere Wohnung für uns zur Verfügung. Je zwei Zimmer 4×3 m, eine Küche 3×4 m sowie einen kleinen Raum 4×1,60 m, wo wir uns provisorisch ein Liebesnest einrichteten. Wir freuten uns auf einen Neuanfang, der jetzt möglich war. Unser Sohn Frank wurde 1977 geboren und somit fehlte wiederum Platz für ein Kinderzimmer. Unser Mieter Herr Prüfer in der oberen Etage hatte auch Raumprobleme, in der Zwischenzeit versuchte er für seine Familie ein Grundstück zu kaufen, wir haben ihn finanziell unterstützt und so konnte er sein Grundstück erwerben. Es war wichtig für uns, die obere Etage zu erhalten. Jetzt konnten wir das ganze obere Objekt renovieren. Darauf stellten wir einen Antrag für diese obere Wohnung bei der Stadt. Wiederum wurde unser Antrag von der Stadt abgelehnt. Bärbel drohte mit einem Schwangerschaftsabbruch, und siehe da: Wir bekamen die 2 Zimmer für uns und konnten dann ein Kinderzimmer einrichten. Somit stand uns das gesamte Haus Herzberger Straße 19 persönlich zur Verfügung und wir konnten es nach unseren Vorstellungen gestalten. Den gesamten Umbau des Objektes haben wir in Eigenleistung vollbracht, um Kosten zu sparen.
Um unser gemeinsames Ziel zu verwirklichen, fiel uns die Umgestaltung leicht. Eine finanzielle Unterstützung unserer Eltern war nur begrenzt möglich.
- Kraftwerk Thierbach 1970
Da das Einkommen am Heimatort nicht sehr groß war, beschlossen wir gemeinsam auf Montage zu gehen. Wir begannen dann die erste gemeinsame Tätigkeit 1970 bei der Fa. Bergmann Borsig in Thierbach bei Leipzig. Dies war unsere gemeinsame erste Baustelle. Bärbel wurde für die Lohnabrechnung und ich als Materialdisponent eingesetzt. Auf der Baustelle hatten wir ein Zimmer mit Küche und Bad, wo wir uns sehr wohl fühlten. Wir arbeiteten 12 Stunden täglich. Anschließend hatten wir einige Tage frei und Zeit für uns, um unser Eigenheim umbauen zu können. Es war eine schöne Zeit, da wir einmal im Monat mit dem Bus nach Leipzig ins Capitol Kino fuhren und anschließend nach dem Kino in eine Broilerbar ein köstliches Hähnchen verspeisten. Das war für uns immer ein Höhepunkt der Woche. Anschließend fuhren wir mit dem Bus wieder zu unserer Unterkunft. Mit 50 M der DDR sind wir die Woche ausgekommen und waren immer sparsam. Uns fehlte es an nichts, wir waren beide zusammen und das war das Wichtigste. Nach getaner Arbeit fuhren wir am Freitag gemeinsam mit dem Zug wieder nach Doberlug-Kirchhain und modernisierten unser Grundstück weiter.
• Atomkraftwerk Lubmin Ostsee 1972
Da sich die Baustellen ständig änderten, wurden wir dann gemeinsam nach Lubmin Ostsee zum Atomkraftwerk umgesetzt. Für uns war es die schönste Zeit an der Ostsee zu arbeiten. Wir verdienten sehr gutes Geld, hatten viele Freunde, wo wir gemeinsam schöne Zeiten nach der Arbeit verbrachten. Durch unsere guten Beziehungen zu Fischern in Freest bekamen wir immer frischen geräucherten Fisch. Das war in der DDR etwas Besonderes. An den Anlegestellen der Fischkutter konnten wir frischen Zander, Aal und andere Fische kaufen und diese gemeinsam am Abend mit Freunden verspeisen. Die besonderen Abende waren immer gemütlich und sorgten für Entspannung nach getaner Arbeit.
Wir hatten damals noch keinen Pkw und fuhren mit der Bahn von Doberlug- Kirchhain nach Greifswald zur Arbeit. Eines Tages bekamen wir Post vom Autohaus Berlin Unter den Linden. Wir wurden aufgefordert unser Auto zum Heimatort umzumelden. Die Wartezeit am Heimatort für ein Auto betrug in der Regel 8-10 Jahre. Als wir zu unserer Arbeitsstelle nach Greifswald fuhren, machten wir im Berliner Autohaus Unter den Linden einen Abstecher. An der Eingangstür des Autohauses wurden die Bestellnummern der Auslieferungen der PKWs bekannt gegeben. Unsere Bestellnummer der Auslieferung war schon lange vorbei, ohne dass wir es merkten, wenn wir nicht die Post vom Autohaus bekommen hätten. Wir gingen in das Autohaus mit unserer Bestellung und zeigten sie dem Verkäufer. Er war verwundert, denn wir sollten uns ja am Heimatort anmelden. Wir wussten nichts von der Ummeldung und wollten unser Auto in Empfang nehmen. Nach Rücksprache am gleichen Tag mit seinem Vorgesetzten übermittelte er uns, dass beim Ministerium noch einmal eine Sonderregelung getroffen wurde. Wir durften unser Auto im Autohaus Berlin in kurzer Zeit danach in Empfang nehmen. Unsere Freude war sehr groß. Innerhalb von vier Wochen hatten wir unseren neuen Pkw, es war ein Skoda S 100. Da wir als Beschäftigte bei Bergmann Borsig Turbinenbau in Berlin als Schwerpunktbetrieb eingestuft waren, gab es ab und zu für die Mitarbeiter besondere Vergünstigungen beim Einkaufen. Zur damaligen Zeit war ich abgestellt im Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth, wo zu der Zeit im Jahre 1969 eine Liste umging, wo man seine Autobestellung eintragen konnte, jedoch konnten wir ein Auto durch den Hauskauf nicht finanzieren.
Kurz vor der Wende bekamen wir auf Bärbels Bestellung einen weißen Wartburg mit VW-Motor, der Probleme mit der Lenkung hatte.
Natürlich haben wir unsere Anmeldekarten für das Auto im Heimatort angemeldet und hatten dann nicht erst in 12 Jahren ein neues Auto, sondern schon in 5 Jahren einen neuen roten Wartburg 353. Für uns war es eine wichtige Voraussetzung für den Verleih von Betonmischern, die wir dann unseren Kunden per Pkw zustellen und abholen konnten.
Ein neuer Anfang zu Hause brachte auch immer wieder neue Herausforderungen finanzieller Art, die ich versuchte mit anderen Möglichkeiten zu kompensieren. Zusammen mit unseren Freunden bauten wir zu DDR-Zeiten Pkw-Anhänger, die wir dann verkauften und selbst auch eine Transportmöglichkeit hatten. Zu dieser Zeit wurde der private Wohnungsbau in der DDR intensiv vorangetrieben, jedoch Betonmischer gab es damals nicht. Da das 1.Heizkraftwerk in Lubmin abgerissen wurde und somit viele Getriebemotoren von Ventilen zur Verfügung standen, hatte ich eine neue Geschäftsidee: den Bau von Betonmischern. Die Getriebe-Motoren für die Betonmischer konnte ich günstig als Schrott erwerben, und damit die Mischer preiswert herstellen. Betonmischer-Trommeln haben wir aus Einzelteilen gefertigt und dann zu Hause zu einem kompletten Betonmischer zusammengebaut.
So hatte ich drei Betonmischer zur Verfügung und vermietete diese. Dabei konnte ich beim Verleih eines Betonmischer 8,- Mark der DDR pro Tag als Gewinn erzielen. Nicht nur Privatpersonen nutzten meinen Service, sondern auch VEB – Betriebe, die keine Betonmischer hatten und wo der Beton meist per Hand gemischt werden musste. Das war eine sehr anstrengende Arbeit. Damals wurde vom Staat der Häuserbau privat gefördert und somit die Bautätigkeit aktiviert. Das war für uns die Idee, die Betonmischer individuell mit einem Pkw-Anhänger zum Kunden zu transportieren und wieder abzuholen. Oftmals waren es VEB – Betriebe, die Betonmischer das ganze Jahr in Benutzung hatten , das sicherte uns ständig Geldeingängen aus der Vermietung.
• Arendsee 1982
Wir waren Anfang März 1982 gerade dabei, die Vorbereitungen für unseren Wintersport in Pec an der Schneekoppe zu treffen.
Am Montag, den 8.03.1982, erreichte uns Post von unserer Firma Bergmann Borsig, wo uns mitgeteilt wurde, dass wir im Sommer in Arendsee im Altmarkkreis Salzwedel,
vom FDGB einen Ferienplatz, zugewiesen bekommen. Bärbel arbeitete damals bei LTA Dresden Jänschwalde, wo unser Sohn Frank in den Kindergarten vom CFG- Chemisches Faserwerk Guben tagsüber untergebracht wurde. Diese Einrichtung war schon zur damaligen Zeit (1980) sehr modern. Eben ein Betriebskindergarten. Es gab Ganztagsverpflegung und eine tolle Außenspielanlage mit Schwimmbad und Duschen.Wir hatten dort eine Einraumwohnung und fuhren beide jeden Tag nach Jänschwalde zum Kraftwerk. Als wir den Urlaubsplatz in Arendsee bekamen, war Frank 5 Jahre alt und Manuela schon in Arbeit. Ich kann mich gut erinnern, dass wir gemeinsam mit Frank versucht haben, mit einfachen Mitteln am See Fische zu fangen. In dem FDGB-Erholungsheim Waldheim wurden wir versorgt und es fanden dort auch abends Veranstaltungen statt. Da in dem Objekt Waldheim nicht so viele Möglichkeiten der Übernachtung bestanden, wurden wir in einer Privatunterkunft in der Nähe des Hauptobjektes untergebracht, wo die Inhaberin ein Gewerbegeschäft führte.
Zum Ende unserer Urlaubszeit hat uns unsere Vermieterin ein kleines Geschenk überreicht. dies war eine gedrechselte Kerze. Diese Kerze stand in unserer Schrankwand als Dekoration. Da zu dieser Zeit Bärbel schon schwanger mit Manuela war und die Geburt unserer Tochter am 28.07.1983 erfolgte, wollten wir, dass Bärbel, wie schon bei Frank, auch 3 Jahre zu Hause bleibt. Da wir gut Geld verdient hatten, macht wir uns Gedanken, wie wir diese drei Jahre finanziell ausgleichen können.
Die Versorgung mit frischen Lebensmitteln war in der DDR auch nicht immer gegeben. Da viele Bürger einen Garten hatten und eigenständig Gemüse züchteten, hat Bärbel die Initiative übernommen und im größeren Rahmen Erdbeeren, Spargel, Mohrrüben, Kartoffeln und vieles mehr dem GHG – Großhandel zum Verkauf angeboten. Über den Sommer war das auch eine kleine Nebeneinnahme. Um die Arbeit in unseren großen Garten zu erleichtern, baute ich einen Traktor mit zwei Rädern. An den Autobahnen standen sehr viele Bäume mit Mirabellen, die wir zur Erntezeit pflückten und dem Großhandel zum Verkauf angeboten haben. (Bild 4: Mirabellensrutsche, so dass die Blätter liegen blieben und die Früchte runter rollten. ca. 5 Stunden Arbeit 600,-M der DDR, ein sehr guter Ertrag)
Da kam ich auf die Idee, die gedrechselte Kerze, die in unserer Schrankwand stand, als Anregung für eine neue Geschäftsidee zu betrachten. Wir machten uns sofort Gedanken, wie wir das realisieren könnten. Da Bergmann Borsig in Jänschwalde eine riesengroße Werkstatt hatte, konnte ich nach Feierabend diese Maschinen auch benutzen, um die Vorbereitung für den Bau eine Drechselbank zu treffen. Auf Montage war es in der Regel so: Wenn Feierabend war, haben die Beschäftigten abends in der Gaststätte gefeiert. Weil mir die ständigen Kneipenbesuche nicht so liegen, suchte ich mir lieber Arbeit in der Werkstatt, um zwei Drechselmaschinen zu bauen. Die Maschinen waren aus verschiedenen Einzelteilen, wie Motoren, Magneten und Spannvorrichtungen, die ich von den Schrottplätzen zusammenstellte, um diese Antriebe zu bauen. Zu DDR Zeiten gab es keinen Großhandel, wo ich diese Teile als Privatperson erwerben konnte. Auch bestimmte Messer, die für die Formgebung der Kerze gebraucht wurden, habe ich selbst angefertigt. Da ich zu Hause auch eine Werkstatt hatte, konnte ich alle Einzelteile, die ich in der Firma vorgefertigt hatte dann auch bei mir in der Werkstatt zusammenbauen. Am Ende hatte ich zwei komplette Drechselbänke zur Verfügung. Haushaltskerzen gab es in der DDR als Staatsreserve in vielen Geschäften. Jedoch bei der Menge, die wir benötigten für unsere Produktion, mussten wir uns eine andere Möglichkeit ausdenken, um genügend Rohkerzen zu bekommen. Für diese Mengen gab es nur den Großhandel, der über das Kombinat Wittol Haushaltskerzen Wittenberg vertrieben wurde. Für den Notfall, dass es zu Stromsperren in der DDR kommt, stellte damals Wittol größere Mengen Rohkerzen für uns bereit. Doch die Idee für unser Vorhaben hatte Grenzen.
Ein besonderes Reiseerlebnis wurde uns 1985 von der DDR ermöglicht. Es gab eine Sonderregelung, wonach DDR-Bürger, die in der BRD-Verwandte über 80 Jahre alt hatten, sie zu besonderen Anlässen in der BRD besuchen durften. Ich hatte eine Tante Ella in Hannover Langenhagen, als sie ihren 80. Geburtstag feierte durfte ich einen Besuchsantrag stellen, der auch genehmigt wurde. Ich durfte drei Wochen in die BRD reisen, jedoch nur allein. Bärbel hat ein Jahr später die gleiche Reise unternommen, Tante Ella wurde 81 Jahre alt. Da wir mehrere Verwandte in der BRD hatten, in Hamburg und in Schwandorf /Bayern, besuchte ich auch diese.
Die erste Station war Hannover Langenhagen, wo ich mich eine Woche aufhielt. Die ersten drei Tage bin ich jeden Tag in die Stadt gefahren und habe mich in den Kaufhäusern aufgehalten. Irgendwann war ein Sättigungsgrad erreicht. Die Eindrücke wiederholten sich mehr oder weniger in allen Kaufhäusern. Das Problem der DDR war, dass es nicht so viele Konsumwaren in den Geschäften gab, aber Geld war doch in den einzelnen Familien vorhanden. Bei der Geburtstagsfeier meiner Tante wurde mir klar, dass die Verteilung des Geldes in der BRD anders gelagert war. Es gab in der BRD viele Waren, aber viele hatten weniger Geld. Die Einkommen, die Mieten und vieles mehr waren doch erheblich höher als wir das in der DDR kannten. In der Woche schlug ich meiner Tante vor die Küche zu renovieren. Für diesen Einsatz erhielt ich von ihr 2000,- DM, Geld das ich bewusst für meine zukünftige Gewerbetätigkeit einsetzen wollte. Mit diesem Geld kaufte ich mir in Hannover einen Schneider Computer, Drucker, Diskettenlaufwerk und ein CD-Musik-Abspielgerät. Die nächste Station war Hamburg, da hatte Bärbel einen Cousin Kurt, der alleinstehend war. Er zeigte mir alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, auch die Reeperbahn in Hamburg und vieles mehr.
Nächste Station war Schwandorf in Bayern.
Einen besonderen Dank gilt unseren Verwandten in Schwandorf Bayern, die uns viele Zusammenhänge der Marktwirtschaft erklärte und uns in die Welt der Kerzen einführte. Unser Cousin war damals Geschäftsführer der Firma Sachs Maschinen und Werkzeuge in Schwandorf. Er besorgte einen Termin bei der Kerzenmanufaktur Wiedemann in Bayern, wo ich überhaupt einen Einblick bekommen habe, was alles mit Kerzen möglich ist.
Zudem hat mich der Cousin von Bärbel in viele Kunstgewerbegeschäfte geführt, wo ich verschiedene Formen und Modelle für meine Kerzenherstellung kaufen konnte und nach Hause mitnehmen durfte. Es waren nicht nur Kerzen, sondern auch das Zubehör, wie Kerzenleuchter aus dem Bayerischen Wald, Servietten und vieles mehr. Es gab zur damaligen Zeit kein Internet, auch kaum Literatur über die Kerzenherstellung. Und somit waren die Führungen in den Kerzenmanufakturen für mich ein besonderes Erlebnis.Die Begeisterung einer möglichen Wiedervereinigung hatte ich so schon vor 1985 erlebt. Ich hatte jetzt ein anderes Verständnis zwischen Ost und West ohne übertriebene Erwartungen. Besonderen Dank geht an Bärbels Cousin aus Schwandorf, der uns die Welt der Kerzen mit Begeisterung präsentierte. Für unser Vorhaben der Selbständigkeit brachte er viel Interesse auf.
Zur damaligen Zeit hatte ich keine Ahnung vom Computer, nur was man per Literatur bzw. in den Nachrichten erfuhr, aber meine Begeisterung hinsichtlich der Technik war für mich das Ausschlaggebende. Ich hatte erfahren, dass in einer Universität in Berlin ein Schneider-Computer-Club bestand, den ich 8 Monate lang besuchte, um Erfahrungen hinsichtlich der Technik zu erlangen. Es ging hauptsächlich um Programme und Programmierung. Zur damaligen Zeit ließ ich von einem Bekannten im Club ein Computerprogramm schreiben, wo ich meine Rechnungen an unsere Kunden mit wenigen Handgriffen erstellen konnte. Schreiben an Behörden waren immer ein besonderes Erlebnis. Die Behörden hatten in ihren Büros noch Schreibmaschinen, die sie für ihre tägliche Arbeit benutzten, hier war man über meinen Computerbriefen beeindruckt. Das war für mich die erste praktische Möglichkeit diese Technik zu verstehen,anzuwenden und weiter selbständig zu erlernen. Unser Entschluss, nur dem Geld nachzujagen war auch keine Lösung. Wir hatten vor, eine Familie mit Kindern zu gründen, denn nach 10 Jahren Ehe ohne Kinder wollten wir ein neues Leben in der Heimat Doberlug Kirchhain beginnen. Wir durften nicht einfach unsere Produkte in den Geschäften vertreiben, denn dazu benötigten wir eine Preisgenehmigung. In der DDR war es möglich, dass man verschiedene Kleinigkeiten, wie Topflappen, Taschentücher oder andere Sachen in Geschäften mit einer Preisgenehmigung anbieten und somit hatten wir eine kleine Einnahmequelle für uns. So hat Bärbel, begleitet von unserer kleinen Tochter, beim Rat des Kreises vorgesprochen, um diese Preisgenehmigung zu bekommen.
Die Mitarbeiterin im Amt für Wirtschaft in Finsterwalde begrüßte unser Vorhaben und wir bekamen die Preisgenehmigung für diese Kerzen. Noch heute ist sie unsere freundliche und Treue Freundin ohne sie wäre unser Vorhaben sicherlich nicht zustande gekommen.
Da wir uns im Vorfeld schon über die gesamte Preisgestaltung informiert hatten, war eine bestimmte Summe als Grundlage schon festgelegt. Bärbel hat sich zu dem Gespräch nicht sehr modern angezogen, damit sie den Eindruck erwecken sollte, sie benötigt das Geld für unsere Kinder. Und somit bekamen wir eine Preisgenehmigung, die zwar über 2,50 M vom Amt vorgeschlagen wurde. Aber wir wollten für unsere gedrechselten Kerzen einen Preis von nur 1,30 M der DDR pro Stück haben. Da wir im Vorfeld schon berechnet hatten, dass der Einkauf im Großhandel 20 Pfennig betrug, die Großhandelsabgabe mit Pfennig beglichen werden musste, blieben für uns 80 Pfennig als reine Einnahme zur Verfügung.
Da Kerzen ein sensibles Produkt und nicht so einfach zu bearbeiten waren, probierten wir verschiedene Herstellungsmethoden. Wir kamen dann zu dem Entschluss, die Kerzen auf 35 Grad Celsius anzuwärmen. Durch dieses Vorgehen wurden die Kerzen elastischer und konnten besser verarbeitet werden. Jetzt kamen meine 2 Drechselbänke zum Einsatz. Da ich versucht habe, die Arbeitsgänge zu optimieren, wurden für die Einspannung der Kerzen Magneten verwendet, so dass wir mit den Fuß den Motor und das Einsetzen der Kerze per Fuß steuern konnten. Die anderen Arbeitsgänge zur Herstellung wurden durch Handarbeit weiter geführt. Nach meinen Ideen benötigte ich drei Formmesser. Mit diesen entsprechenden Messern konnten wir dann die Muster in die Kerzen einbringen.
Unsere Produktion, mit der alles angefangen hat.
Anschließend wurde mit einem kleinen Pinsel Gold, Silber oder Kupfer in die Rillen eingebracht, so dass die Kerzen dann einen höheren optischen Wert bekamen. Unser Vorteil war, dass wir beim Großhandel palettenweise diese Kerzen ohne Probleme beziehen konnten. Die krummen Kerzen konnten wir ohne größere Probleme wieder an den Großhandel zurückführen und somit hatten wir immer eine gute Qualität zur Verfügung. Wir hatten uns einen automatischen Wärmeofen gebaut, so dass die Temperatur immer gleich war. Es wurden ca. 400 Stück Kerzen für vormittags & abends dort eingelagert und diese wurden bei Erreichen der Temperatur bearbeitet. Da wir am Anfang für die Herstellung einer Kerze ca. 1,5 Minuten benötigten, habe ich die Technik so perfektioniert, dass wir in 35 Sekunden eine gedrechselte Kerze produzieren konnten. Da Bärbel mit den Kindern zu Hause war, konnte sie vormittags und abends in etwa 120 Minuten jeweils 400 Kerzen herstellen. Auch konnte sie die freie Zeit mit den Kindern genießen.
Wir hätten sicherlich das Dreifache geschafft, wollten aber nicht auffallen und deshalb haben wir die Produktion gedrosselt. Ich habe zur damaligen Zeit auch noch die Tätigkeit als Materialdisponent im Kraftwerk Jänschwalde fortgeführt und Bärbel hat die Produktion der Kerzen und den gesamten Haushalt zu Hause realisiert. An diesen Zahlen kann sich jeder vorstellen, wie gut es uns in der DDR ging. Damals konnte jeder im Jahr zusätzlich bis zu 3000,- Mark der DDR im Jahr dazu verdienen, ohne eine gewerbliche Tätigkeit anzumelden. Durch die Drechslerei hatten wir auch sehr viele Wachsabfälle, die durch den Produktionsprozess anfielen. Aus diesen Abfällen fertigten wir Weihnachtsbaumschmuck, Schwimmkerzen und viele andere Gegenstände aus Wachs.
Ein Geschäftspartner hatte mich informiert: Um ein Gewerbe zu erhalten sollte man über die Grenze von 12000,- Mark produzieren. Damit konnten wir nachweisen, dass wir unsere Familie von diesem Geschäft ernähren konnten und es in dieser Hinsicht kein Engpass an Material gab. Außerdem war es wichtig, Produkte für die Konsumgüterproduktion herzustellen, die in der DDR knapp waren. Durch diesen Mangel von Produkten wurde uns innerhalb kürzester Zeit die Gewerbegenehmigung als Handwerksbetrieb vom Rat des Kreises Finsterwalde erteilt. Da uns eine Erhöhung der Produktion nicht schwerfiel, steigert wir unsere Produktion auf 22.000, – M Umsatz. Da der Konsumgüterbereich in der DDR sehr schlecht entwickelt war, konnten wir unsere Produkte zum Verkauf in den Drogerien, Kunstgewerbegeschäften sowie im Konsument-Warenhaus Cottbus anbieten. Eine große Nachfrage gab es vor allem in der Weihnachtszeit. Ab diesen Zeitpunkt belieferten wir das Warenhaus Konsument mit größeren Mengen von unseren Kerzen.
Im Jahre 1986 beendeten wir unsere Montagetätigkeit und ich fing in Doberlug Kirchhain bei der GHG- Sportartikel, unweit von unserer Wohnung, mit einer neuen Arbeit an. Für mich war die Arbeit dort eine sehr stressige Tätigkeit. In diesem Betrieb arbeiteten ausschließlich Frauen, die schon Jahre dort tätig waren. Die Arbeitsabläufe in dieser Firma waren für mich nicht nachvollziehbar: Wenn ein Lkw mit Ware kam, wurde er in kurzer Zeit entladen und die Ware einfach auf den Boden hingeworfen. Dann wurde Pause gemacht, anschließend wurde die Ware per Hand weitertransportiert. Da ich mir die Arbeit so leicht wie möglich machen wollte, besorgte ich überall Paletten, so dass die Ware, wenn sie vom Lkw heruntergenommen wurde, gleich ordnungsgemäß auf Paletten gestapelt werden konnte. Jahrelang stand in der Ecke ein Gabelstapler, der nie benutzt wurde. Ich versuchte dort, die Palettenwirtschaft einzuführen, wo ich natürlich bei den Kolleginnen immer auf Widerstand traf. Ich machte Neuerervorschläge, wurde ausgezeichnet und bekam dafür auch Geld, aber der seelische Stress bestand trotzdem.
Da wir im voraus wussten, dass wir uns selbstständig machen wollten, habe ich 1987 die Gewerbegenehmigung beantragt. Da der Leiter der Wirtschaftsabteilung beim Rates Kreises, Herr Lehmann, über unsere Arbeit Bescheid wusste, wie und was wir mit unserer Produktion erzielten konnten, wurde uns die Gewerbegenehmigung innerhalb von drei Monaten zugesprochen, somit konnte ich im September 1987 in unsere Gewerbetätigkeit einsteigen.
Als erstes hat Dieter Babbe im Dezember 1988, Redakteur der Zeitung : Lausitzer Rundschau über unsere Produktion berichtet.
Unsere Nachbarin von der Doppelhaushälfte, Frau Mösges, wollte zu ihrem Sohn nach Berlin ziehen und das Grundstück in der Herzberger Straße 18 verkaufen. Das war für uns die Gelegenheit, unser Gewerbe in diesem neuen Grundstück anzusiedeln, so haben wir die Produktion und das Lager in diesem Grundstück eingerichtet. Natürlich gab es wieder Probleme mit dem staatlichen Notar in Finsterwalde, der uns mitteilte, dass man in der DDR keine zwei Grundstücke besitzen darf. Sie stellten sich monatelang quer, bis Frau Mösges in Berlin einen Notar fand, der die Umschreibung des Grundstückes auf unseren Sohn Frank, der zur damaligen Zeit 13 Jahre alt war, vornahm. Wir durften als Verwalter bis zur Mündigkeit unseres Sohnes dieses Grundstück betreuen.
Wir haben auch in der DDR Willkür erlebt, aber nach der Wiedervereinigung mussten wir noch extremere Willkür ertragen. (2013 bis 2023 unser Protest! )
Nachdem wir die Gewerbegenehmigung bekommen hatten, stellten wir unsere erste Mitarbeiterin Frau Rolke ein. Vom ersten Tag nahm sie dann die Produktion in den neuen Arbeitsräumen Herzbergerstrasse 18 auf. Wir richteten in dem gesamten Objekt Produktionsräume und im Keller Lagermöglichkeiten ein. Mit Silikonformen versuchten wir verschiedene Produkte zu gestalten, wie zum Beispiel Schwimmkerzen, Weihnachtsbäume, Schmuckbilder aus Wachs und vieles mehr. Da wir durch das jahrelange Drechseln auch viele Wachsabfälle zur Verfügung hatten, wurden diese dann mit Farbe gemischt und in Formen gegossen, danach an die Kunstgewerbegeschäfte, Drogerien sowie an Markthändler verkauft. Es dauerte nicht lange und das Kombinat VEB -Wittol wurde auf uns aufmerksam. Das Kombinat hatte eigene Handelsvertreter, die in Kunstgewerbegeschäften, Drogerien und Märkten ihre Waren angeboten haben und unsere Produkte als Konkurrenz betrachteten. Vom Hauptsitz des VEB Wittol Lutherstadt Wittenberg wurde uns mitgeteilt, dass wir eine Preiskalkulation für unsere Produkte beim Kombinat vorlegen sollten. Wir fuhren mit unseren Produkten nach Wittenberg zum Kombinat legten unsere Kalkulation vor. Die Auswertung unserer Kalkulation wollte man uns schriftlich mitteilen.
Da sich im Sommer 1989 die Wiedervereinigung ankündigte, hörten wir vom Kombinat VEB Wittol Lutherstadt Wittenberg nichts mehr.
Am Abend des 9. November 1989 überschlagen sich die Ereignisse.
Nun sind wir Beide in einer anderen Welt aufgewacht,
die ich 1985 schon erleben durfte und die Euphorie der Wiedervereinigung 1989 für mich nicht mehr so dramatisch war. Plötzlich ist die Grenze zum Westen offen und ein anderes Wirtschaftssystem wurde eingeführt.
- 01.03.2024