1982 * Geschäftsidee

Der Anfang:

 Von der Idee zur Umsetzung

Wie bei vielen hat auch bei uns alles mit Liebe angefangen, die bis heute nach 56 Jahren Ehe immer noch etwas Besonderes ist. Wir hatten uns bei einer Tanzveranstaltung in Finsterwalde kennen gelernt. Bärbel verpasste nach der Tanzveranstaltung den Bus nach Sonnewalde und somit hatte ich die Möglichkeit sie mit meinen

Roller Troll nach Sonnewalde zu fahren. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, wo wir uns in der Zeit um 1 Stunde verfehlten. Ich machte am gleichen Tag den zweiten Versuch, dann hat es mit unserem Treffen geklappt.

Wir hatten uns 1966 kennen gelernt und haben dann im Oktober 1968 geheiratet. Gemeinsam war es unser Ziel, eine Familie zu gründen. Zur damaligen Zeit arbeitete Bärbel bei der Deutschen Bauernbank im Finsterwalde. 1965 nach meiner Lehrzeit nahm ich im Kraftwerk Vetschau die Tätigkeit als Turbinenschlosser bei der Firma Bergmann Borsig Berlin an. Zu dieser Zeit versuchten wir uns in Doberlug Kirchhain in der Herzberger Straße 19 eine neue Bleibe für uns beide zu schaffen und kauften das Grundstück. Leider verlief unser Plan nach dem Kauf des Objektes in der Herzberger Straße nicht so wie wir es uns vorgestellt hatten. Da 1968 alle zur Verfügung stehenden Wohnungen durch die Stadt Doberlug-Kirchhain zugewiesen wurden und für unser Grundstück schon eine andere Familie  vorgesehen war, hatten wir keine Berechtigung in unser gekauftes Haus einziehen zu können. In der DDR gab es ein Gesetz, dass der Kauf einer Immobilie nicht zum Einzug berechtigt. Wir mussten der zugewiesenen Familie unsere Wohnung zeigen, jedoch war diese für sie zu klein. Somit hatten wir die Möglichkeit, einen Teil der Zimmer selbst zu nutzen. So versuchten wir das Beste daraus zu machen. Es wurde uns eine neue Mieterin zugewiesen, die in der unteren Wohnung ein Zimmer separat benutzen durfte. Da sie nur ein Zimmer hatte und ein Kind erwartete wurde diese Wohnung für sie zu klein. Sie war nur kurze Zeit in der Wohnung. Danach wurde uns das Zimmer von der Stadt zugesprochen. Nun hatten wir die untere Wohnung für uns zur Verfügung. Je zwei Zimmer 4×3 m, eine Küche 3×4 m sowie einen kleinen Raum 4×1,60 m, wo wir uns provisorisch ein Liebesnest einrichteten. Wir freuten uns auf einen Neuanfang, der jetzt möglich war. Unser Sohn Frank wurde 1977 geboren und somit fehlte wiederum Platz für ein Kinderzimmer.  Unser Mieter Herr Prüfer in der oberen Etage hatte auch Raumprobleme, in der Zwischenzeit versuchte er für seine Familie ein Grundstück zu kaufen, wir haben ihn finanziell unterstützt und so konnte er sein Grundstück erwerben. Es war wichtig für uns, die obere Etage zu erhalten.  Jetzt konnten wir das ganze obere Objekt renovieren. Darauf stellten wir einen Antrag für diese obere Wohnung bei der Stadt. Wiederum wurde unser Antrag von der Stadt abgelehnt. Bärbel drohte mit einem Schwangerschaftsabbruch, und siehe da: Wir bekamen die 2 Zimmer für uns und konnten dann ein Kinderzimmer einrichten. Somit stand uns das gesamte Haus Herzberger Straße 19 persönlich zur Verfügung und wir konnten es nach unseren Vorstellungen gestalten. Den gesamten Umbau des Objektes haben wir in Eigenleistung vollbracht, um Kosten zu sparen.

Erstellung einer Sitzecke für die Küche

Um unser gemeinsames Ziel zu verwirklichen, fiel uns die Umgestaltung leicht. Eine finanzielle Unterstützung unserer Eltern war nur begrenzt möglich.

Da das Einkommen am Heimatort nicht sehr groß war, beschlossen wir gemeinsam auf Montage zu gehen. Wir begannen dann die erste gemeinsame Tätigkeit 1970 bei der Fa. Bergmann Borsig in Thierbach bei Leipzig. Dies war unsere gemeinsame erste Baustelle. Bärbel wurde für die Lohnabrechnung und ich als Materialdisponent eingesetzt. Auf der Baustelle hatten wir ein Zimmer mit Küche und Bad, wo wir uns sehr wohl fühlten. Wir arbeiteten 12 Stunden täglich. Anschließend hatten wir einige Tage frei und Zeit für uns, um unser Eigenheim umbauen zu können. Es war eine schöne Zeit, da wir einmal im Monat mit dem Bus nach Leipzig ins Capitol Kino fuhren und anschließend nach dem Kino in eine Broilerbar ein köstliches Hähnchen verspeisten. Das war für uns immer ein Höhepunkt der Woche. Anschließend fuhren wir mit dem Bus wieder zu unserer Unterkunft.  Mit 50 M der DDR sind wir die Woche ausgekommen und waren immer sparsam. Uns fehlte es an nichts, wir waren beide zusammen und das war das Wichtigste. Nach getaner Arbeit fuhren wir am Freitag gemeinsam mit dem Zug wieder nach Doberlug-Kirchhain und modernisierten unser Grundstück weiter. 

Da sich die Baustellen ständig änderten, wurden wir dann gemeinsam nach Lubmin Ostsee zum Atomkraftwerk umgesetzt. Für uns war es die schönste Zeit an der Ostsee zu arbeiten. Wir verdienten sehr gutes Geld, hatten viele Freunde, wo wir gemeinsam schöne Zeiten nach der Arbeit verbrachten. Durch unsere guten Beziehungen zu Fischern in Freest bekamen wir immer frischen geräucherten Fisch.  Das war in der DDR etwas Besonderes. An den Anlegestellen der Fischkutter konnten wir frischen Zander, Aal und andere Fische kaufen und diese gemeinsam am Abend mit Freunden verspeisen. Die besonderen Abende waren immer gemütlich und sorgten für Entspannung nach getaner Arbeit.

Wir hatten damals noch keinen Pkw und fuhren mit der Bahn von Doberlug- Kirchhain nach Greifswald zur Arbeit. Eines Tages bekamen wir Post vom Autohaus Berlin   Unter den Linden. Wir wurden aufgefordert unser Auto zum Heimatort umzumelden. Die Wartezeit am Heimatort für ein Auto betrug in der Regel 8-10 Jahre. Als wir zu unserer Arbeitsstelle nach Greifswald fuhren, machten wir im Berliner Autohaus Unter den Linden einen Abstecher.  An der Eingangstür des Autohauses wurden die Bestellnummern der Auslieferungen der PKWs bekannt gegeben. Unsere Bestellnummer der Auslieferung war schon lange vorbei, ohne dass wir es merkten, wenn wir nicht die Post vom Autohaus bekommen hätten. Wir gingen in das Autohaus mit unserer Bestellung und zeigten sie dem Verkäufer. Er war verwundert, denn wir sollten uns ja am Heimatort anmelden. Wir wussten nichts von der Ummeldung und wollten unser Auto in Empfang nehmen. Nach Rücksprache am gleichen Tag mit seinem Vorgesetzten übermittelte er uns, dass beim Ministerium noch einmal eine Sonderregelung getroffen wurde. Wir durften unser Auto im Autohaus Berlin in kurzer Zeit danach in Empfang nehmen. Unsere Freude war sehr groß. Innerhalb von vier Wochen hatten wir unseren neuen Pkw, es war ein Skoda S 100. Da wir als Beschäftigte bei Bergmann Borsig Turbinenbau in Berlin als Schwerpunktbetrieb eingestuft waren, gab es ab und zu für die Mitarbeiter besondere Vergünstigungen beim Einkaufen. Zur damaligen Zeit war ich abgestellt im Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth, wo zu der Zeit im Jahre 1969 eine Liste umging, wo man seine Autobestellung eintragen konnte, jedoch konnten wir ein Auto durch den Hauskauf nicht finanzieren.          

Kurz vor der Wende bekamen wir auf Bärbels Bestellung einen weißen Wartburg mit VW-Motor, der Probleme mit der Lenkung hatte.

Natürlich haben wir unsere Anmeldekarten für das Auto im Heimatort angemeldet und hatten dann nicht erst in 12 Jahren ein neues Auto, sondern schon in 5 Jahren einen neuen roten Wartburg 353. Für uns war es eine wichtige Voraussetzung für den Verleih von Betonmischern, die wir dann unseren Kunden per Pkw zustellen und abholen konnten.

Ein neuer Anfang zu Hause brachte auch immer wieder neue Herausforderungen finanzieller Art, die ich versuchte mit anderen Möglichkeiten zu kompensieren. Zusammen mit unseren Freunden bauten wir zu DDR-Zeiten Pkw-Anhänger, die wir dann verkauften und selbst auch eine Transportmöglichkeit hatten. Zu dieser Zeit wurde der private Wohnungsbau in der DDR intensiv vorangetrieben, jedoch Betonmischer gab es damals nicht. Da das 1.Heizkraftwerk in Lubmin abgerissen wurde und somit viele Getriebemotoren von Ventilen zur Verfügung standen, hatte ich eine neue Geschäftsidee: den Bau von Betonmischern.  Die Getriebe-Motoren für die Betonmischer konnte ich günstig als Schrott erwerben, und damit die Mischer preiswert herstellen. Betonmischer-Trommeln haben wir aus Einzelteilen gefertigt und dann zu Hause zu einem kompletten Betonmischer zusammengebaut.

So hatte ich drei Betonmischer zur Verfügung und vermietete diese.  Dabei konnte ich beim Verleih eines Betonmischer 8,- Mark der DDR pro Tag als Gewinn erzielen. Nicht nur Privatpersonen nutzten meinen Service, sondern auch VEB – Betriebe, die keine Betonmischer hatten und wo der Beton meist per Hand gemischt werden musste. Das war eine sehr anstrengende Arbeit. Damals wurde vom Staat der Häuserbau privat gefördert und somit die Bautätigkeit aktiviert. Das war für uns die Idee, die Betonmischer individuell mit einem Pkw-Anhänger zum Kunden zu transportieren und wieder abzuholen. Oftmals waren es VEB – Betriebe, die Betonmischer das ganze Jahr in Benutzung hatten , das sicherte uns ständig Geldeingängen aus der Vermietung.

Wir waren Anfang März 1982 gerade dabei, die Vorbereitungen für unseren Wintersport in Pec an der Schneekoppe zu treffen.

Am Montag, den 8.03.1982, erreichte uns Post von unserer Firma Bergmann Borsig, wo uns mitgeteilt wurde, dass wir im Sommer in Arendsee im Altmarkkreis Salzwedel,

vom FDGB einen Ferienplatz, zugewiesen bekommen. Bärbel arbeitete damals bei LTA Dresden Jänschwalde, wo unser Sohn Frank in den Kindergarten vom CFG- Chemisches Faserwerk Guben tagsüber untergebracht wurde. Diese Einrichtung war schon zur damaligen Zeit (1980) sehr modern. Eben ein Betriebskindergarten. Es gab Ganztagsverpflegung und eine tolle Außenspielanlage mit Schwimmbad und Duschen.Wir hatten dort eine Einraumwohnung und fuhren beide jeden Tag nach Jänschwalde zum Kraftwerk. Als wir den Urlaubsplatz in Arendsee bekamen, war Frank 5 Jahre alt und Manuela schon in Arbeit. Ich kann mich gut erinnern, dass wir gemeinsam mit Frank versucht haben, mit einfachen Mitteln am See Fische zu fangen. In dem FDGB-Erholungsheim Waldheim wurden wir versorgt und es fanden dort auch abends Veranstaltungen statt. Da in dem Objekt Waldheim nicht so viele Möglichkeiten der Übernachtung bestanden, wurden wir in einer Privatunterkunft in der Nähe des Hauptobjektes untergebracht, wo die Inhaberin ein Gewerbegeschäft führte.

Zum Ende unserer Urlaubszeit hat uns unsere Vermieterin ein kleines Geschenk überreicht. dies war eine gedrechselte Kerze. Diese Kerze stand in unserer Schrankwand als Dekoration. Da zu dieser Zeit Bärbel schon schwanger mit Manuela war und die Geburt unserer Tochter am 28.07.1983 erfolgte,  wollten wir, dass Bärbel, wie schon bei Frank, auch 3 Jahre zu Hause bleibt. Da wir gut Geld verdient hatten, macht wir uns Gedanken, wie wir diese drei Jahre finanziell ausgleichen können.

Die Versorgung mit frischen Lebensmitteln war in der DDR auch nicht immer gegeben. Da viele Bürger einen Garten hatten und eigenständig Gemüse züchteten, hat Bärbel die Initiative übernommen und im größeren Rahmen Erdbeeren, Spargel, Mohrrüben, Kartoffeln und vieles mehr dem GHG – Großhandel zum Verkauf angeboten. Über den Sommer war das auch eine kleine Nebeneinnahme. Um die Arbeit in unseren großen Garten zu erleichtern, baute ich einen Traktor mit zwei Rädern. An den Autobahnen standen sehr viele Bäume mit Mirabellen, die wir zur Erntezeit pflückten und dem Großhandel zum Verkauf angeboten haben. (Bild 4: Mirabellensrutsche, so dass die Blätter liegen blieben und die Früchte runter rollten. ca. 5 Stunden Arbeit 600,-M der DDR, ein sehr guter Ertrag)

Da kam ich auf die Idee, die gedrechselte Kerze, die in unserer Schrankwand stand, als Anregung für eine neue Geschäftsidee zu betrachten. Wir machten uns sofort Gedanken, wie wir das realisieren könnten.  Da Bergmann Borsig in Jänschwalde eine riesengroße Werkstatt hatte,  konnte ich nach Feierabend diese Maschinen auch benutzen, um die Vorbereitung für den Bau eine Drechselbank zu treffen. Auf Montage war es in der Regel so: Wenn Feierabend war, haben die Beschäftigten abends in der Gaststätte gefeiert. Weil mir die ständigen Kneipenbesuche nicht so liegen, suchte ich mir lieber Arbeit in der Werkstatt, um zwei Drechselmaschinen zu bauen. Die Maschinen waren aus verschiedenen Einzelteilen, wie Motoren, Magneten und Spannvorrichtungen, die ich von den Schrottplätzen zusammenstellte, um diese Antriebe zu bauen. Zu DDR Zeiten gab es keinen Großhandel, wo ich diese Teile als Privatperson erwerben konnte. Auch bestimmte Messer, die für die Formgebung der Kerze gebraucht wurden, habe ich selbst angefertigt. Da ich zu Hause auch eine Werkstatt hatte, konnte ich alle Einzelteile, die ich in der Firma vorgefertigt hatte dann auch bei mir in der Werkstatt zusammenbauen. Am Ende hatte ich zwei komplette Drechselbänke zur Verfügung. Haushaltskerzen gab es in der DDR als Staatsreserve in vielen Geschäften. Jedoch bei der Menge, die wir benötigten für unsere Produktion, mussten wir uns eine andere Möglichkeit ausdenken, um genügend Rohkerzen zu bekommen. Für diese Mengen gab es nur den Großhandel, der über  das Kombinat Wittol Haushaltskerzen Wittenberg vertrieben wurde. Für den Notfall, dass es zu  Stromsperren in der DDR kommt,  stellte damals Wittol größere Mengen Rohkerzen für uns bereit. Doch die Idee für unser Vorhaben hatte Grenzen.

Ein besonderes Reiseerlebnis wurde uns 1985 von der DDR ermöglicht. Es gab eine Sonderregelung, wonach DDR-Bürger, die in der BRD-Verwandte über 80 Jahre alt hatten,  sie zu besonderen Anlässen in der BRD besuchen durften. Ich hatte eine Tante Ella in Hannover Langenhagen, als sie ihren 80. Geburtstag feierte durfte ich einen Besuchsantrag stellen, der auch genehmigt wurde. Ich durfte drei Wochen in die BRD reisen, jedoch nur allein. Bärbel hat ein Jahr später die gleiche Reise unternommen, Tante Ella wurde 81 Jahre alt. Da wir mehrere Verwandte in der BRD hatten, in Hamburg und in Schwandorf /Bayern, besuchte ich auch diese.

Die erste Station war Hannover Langenhagen, wo ich mich eine Woche aufhielt. Die ersten drei Tage bin ich jeden Tag in die Stadt gefahren und habe mich in den Kaufhäusern aufgehalten. Irgendwann war ein Sättigungsgrad erreicht. Die Eindrücke wiederholten sich mehr oder weniger in allen Kaufhäusern. Das Problem der DDR war, dass es nicht so viele Konsumwaren in den Geschäften gab, aber Geld war doch in den einzelnen Familien vorhanden. Bei der Geburtstagsfeier meiner Tante wurde mir klar, dass die Verteilung des Geldes in der BRD anders gelagert war. Es gab in der BRD viele Waren, aber viele hatten weniger Geld. Die Einkommen, die Mieten und vieles mehr waren doch erheblich höher als wir das in der DDR kannten. In der Woche schlug ich meiner Tante vor die Küche zu renovieren. Für diesen Einsatz erhielt ich von ihr 2000,- DM, Geld das ich bewusst für meine zukünftige Gewerbetätigkeit einsetzen wollte. Mit diesem Geld kaufte ich mir in Hannover einen Schneider Computer, Drucker, Diskettenlaufwerk und ein CD-Musik-Abspielgerät. Die nächste Station war Hamburg, da hatte Bärbel einen Cousin Kurt, der alleinstehend war. Er zeigte mir alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, auch die Reeperbahn in Hamburg und vieles mehr.

Nächste Station war Schwandorf in Bayern.

Einen besonderen Dank gilt unseren Verwandten in Schwandorf Bayern, die uns viele Zusammenhänge der Marktwirtschaft  erklärte und uns in die Welt der Kerzen einführte. Unser Cousin war damals Geschäftsführer der  Firma Sachs Maschinen und Werkzeuge in Schwandorf. Er besorgte einen Termin bei der Kerzenmanufaktur Wiedemann in Bayern, wo ich überhaupt einen Einblick bekommen habe, was alles mit Kerzen möglich ist.

Zudem hat mich der Cousin von Bärbel in viele Kunstgewerbegeschäfte geführt, wo ich verschiedene Formen und Modelle für meine Kerzenherstellung kaufen konnte und nach Hause mitnehmen durfte. Es waren nicht nur Kerzen, sondern auch das Zubehör, wie Kerzenleuchter aus dem Bayerischen Wald, Servietten und vieles mehr. Es gab zur damaligen Zeit kein Internet, auch kaum Literatur über die Kerzenherstellung. Und somit waren die Führungen in den Kerzenmanufakturen für mich ein besonderes Erlebnis.Die Begeisterung einer möglichen Wiedervereinigung hatte ich so schon vor 1985 erlebt. Ich hatte jetzt ein anderes Verständnis zwischen Ost und West ohne übertriebene Erwartungen. Besonderen Dank geht an Bärbels Cousin aus Schwandorf, der uns die Welt der Kerzen mit Begeisterung präsentierte. Für unser Vorhaben der Selbständigkeit brachte er viel Interesse auf.

Zur damaligen Zeit hatte ich keine Ahnung vom Computer, nur was man per Literatur bzw. in den Nachrichten erfuhr, aber meine Begeisterung hinsichtlich der Technik war für mich das Ausschlaggebende. Ich hatte erfahren, dass in einer Universität in Berlin ein Schneider-Computer-Club bestand, den ich 8 Monate lang besuchte, um Erfahrungen hinsichtlich der Technik zu erlangen. Es ging hauptsächlich um Programme und Programmierung. Zur damaligen Zeit ließ ich von einem Bekannten im Club ein Computerprogramm schreiben, wo ich meine Rechnungen an unsere Kunden mit wenigen Handgriffen erstellen konnte. Schreiben an Behörden waren immer ein besonderes Erlebnis. Die Behörden hatten in ihren Büros noch Schreibmaschinen, die sie für ihre tägliche Arbeit benutzten, hier war man über meinen Computerbriefen beeindruckt. Das war für mich die erste praktische Möglichkeit diese Technik zu verstehen,anzuwenden und weiter selbständig zu erlernen. Unser Entschluss, nur dem Geld nachzujagen war auch keine Lösung. Wir hatten vor, eine Familie mit Kindern zu gründen, denn nach 10 Jahren Ehe ohne Kinder wollten wir ein neues Leben in der Heimat Doberlug Kirchhain beginnen. Wir durften nicht einfach unsere Produkte in den Geschäften vertreiben, denn dazu benötigten wir eine Preisgenehmigung. In der DDR war es möglich, dass man verschiedene Kleinigkeiten, wie Topflappen, Taschentücher oder andere Sachen in Geschäften mit einer Preisgenehmigung anbieten und somit hatten wir eine kleine Einnahmequelle für uns. So hat Bärbel, begleitet von unserer kleinen Tochter, beim Rat des Kreises vorgesprochen, um diese Preisgenehmigung zu bekommen.

Die Mitarbeiterin im Amt für Wirtschaft in Finsterwalde begrüßte unser Vorhaben und wir bekamen die Preisgenehmigung für diese Kerzen. Noch heute ist sie unsere freundliche und Treue Freundin ohne sie wäre unser Vorhaben sicherlich nicht zustande gekommen.

Da wir uns im Vorfeld schon über die gesamte Preisgestaltung informiert hatten, war eine bestimmte Summe als Grundlage schon festgelegt. Bärbel hat sich zu dem Gespräch nicht sehr modern angezogen, damit sie den Eindruck erwecken sollte, sie benötigt das Geld für unsere Kinder. Und somit bekamen wir eine Preisgenehmigung, die zwar über 2,50 M vom Amt vorgeschlagen wurde. Aber wir wollten für unsere gedrechselten Kerzen einen Preis von nur 1,30 M der DDR pro Stück haben. Da wir im Vorfeld schon berechnet hatten, dass der Einkauf im Großhandel 20 Pfennig betrug, die Großhandelsabgabe mit 38 Pfennig beglichen werden musste, blieben für uns 80 Pfennig als reine Einnahme zur Verfügung.

Da Kerzen ein sensibles Produkt und nicht so einfach zu bearbeiten waren, probierten wir verschiedene Herstellungsmethoden. Wir kamen dann zu dem Entschluss, die Kerzen auf 35 Grad Celsius anzuwärmen. Durch dieses Vorgehen wurden die Kerzen elastischer und konnten besser verarbeitet werden. Jetzt kamen meine 2 Drechselbänke zum Einsatz. Da ich versucht habe, die Arbeitsgänge zu optimieren, wurden für die Einspannung der Kerzen Magneten verwendet, so dass wir mit den Fuß den Motor und das Einsetzen der Kerze per Fuß steuern konnten. Die anderen Arbeitsgänge zur Herstellung wurden durch Handarbeit weiter geführt. Nach meinen Ideen benötigte ich drei Formmesser. Mit diesen entsprechenden Messern konnten wir dann die Muster in die Kerzen einbringen.

Unsere Produktion, mit der alles angefangen hat. 

Anschließend wurde mit einem kleinen Pinsel Gold, Silber oder Kupfer in die Rillen eingebracht, so dass die Kerzen dann einen höheren optischen Wert bekamen. Unser Vorteil war, dass wir beim Großhandel palettenweise diese Kerzen ohne Probleme beziehen konnten. Die krummen Kerzen konnten wir ohne größere Probleme wieder an den Großhandel zurückführen und somit hatten wir immer eine gute Qualität zur Verfügung. Wir hatten uns einen automatischen Wärmeofen gebaut, so dass die Temperatur immer gleich war. Es wurden ca. 400 Stück Kerzen für vormittags & abends dort eingelagert und diese wurden bei Erreichen der Temperatur bearbeitet.  Da wir am Anfang für die Herstellung einer Kerze ca. 1,5 Minuten benötigten, habe ich die Technik so perfektioniert, dass wir in 35 Sekunden eine gedrechselte Kerze produzieren konnten. Da Bärbel mit den Kindern zu Hause war, konnte sie vormittags und abends in etwa 120 Minuten jeweils 400 Kerzen herstellen. Auch konnte sie die freie Zeit mit den Kindern genießen.

Wir hätten sicherlich das Dreifache geschafft, wollten aber nicht auffallen und deshalb haben wir die Produktion gedrosselt. Ich habe zur damaligen Zeit auch noch die Tätigkeit als Materialdisponent im Kraftwerk Jänschwalde fortgeführt und Bärbel hat die Produktion der Kerzen und den gesamten Haushalt zu Hause realisiert. An diesen Zahlen kann sich jeder vorstellen, wie gut es uns in der DDR ging. Damals konnte jeder im Jahr zusätzlich bis zu 3000,- Mark der DDR im Jahr dazu verdienen, ohne eine gewerbliche Tätigkeit anzumelden. Durch die Drechslerei hatten wir auch sehr viele Wachsabfälle, die durch den Produktionsprozess anfielen. Aus diesen Abfällen fertigten wir Weihnachtsbaumschmuck, Schwimmkerzen und viele andere Gegenstände aus Wachs.

Ein Geschäftspartner hatte mich informiert: Um ein Gewerbe zu erhalten sollte man über die Grenze von 12000,- Mark produzieren. Damit konnten wir nachweisen, dass wir unsere Familie von diesem Geschäft ernähren konnten und es in dieser Hinsicht kein Engpass an Material gab. Außerdem war es wichtig, Produkte für die Konsumgüterproduktion herzustellen, die in der DDR knapp waren. Durch diesen Mangel von Produkten wurde uns innerhalb kürzester Zeit die Gewerbegenehmigung als Handwerksbetrieb vom Rat des Kreises Finsterwalde erteilt. Da uns eine Erhöhung der Produktion nicht schwerfiel, steigert wir unsere Produktion auf 22.000, – M Umsatz. Da der Konsumgüterbereich in der DDR sehr schlecht entwickelt war, konnten wir unsere Produkte zum Verkauf in den Drogerien, Kunstgewerbegeschäften sowie im Konsument-Warenhaus Cottbus anbieten. Eine große Nachfrage gab es vor allem in der Weihnachtszeit. Ab diesen Zeitpunkt belieferten wir das Warenhaus Konsument mit größeren Mengen von unseren Kerzen.

Im Jahre 1986 beendeten wir unsere Montagetätigkeit und ich fing in Doberlug Kirchhain bei der GHG- Sportartikel, unweit von unserer Wohnung, mit einer neuen Arbeit an. Für mich war die Arbeit dort eine sehr stressige Tätigkeit. In diesem Betrieb arbeiteten ausschließlich Frauen, die schon Jahre dort tätig waren. Die Arbeitsabläufe in dieser Firma waren für mich nicht nachvollziehbar: Wenn ein Lkw mit Ware kam, wurde er in kurzer Zeit entladen und die Ware einfach auf den Boden hingeworfen. Dann wurde Pause gemacht, anschließend wurde die Ware per Hand weitertransportiert. Da ich mir die Arbeit so leicht wie möglich machen wollte, besorgte ich überall Paletten, so dass die Ware, wenn sie vom Lkw heruntergenommen wurde, gleich ordnungsgemäß auf Paletten gestapelt werden konnte. Jahrelang stand in der Ecke ein Gabelstapler, der nie benutzt wurde. Ich versuchte dort, die Palettenwirtschaft einzuführen, wo ich natürlich bei den Kolleginnen immer auf Widerstand traf. Ich machte Neuerervorschläge, wurde ausgezeichnet und bekam dafür auch Geld, aber der seelische Stress bestand trotzdem.

Da wir im voraus wussten, dass wir uns selbstständig machen wollten, habe ich 1987 die Gewerbegenehmigung beantragt. Da der Leiter der Wirtschaftsabteilung beim Rates Kreises, Herr Lehmann, über unsere Arbeit Bescheid wusste, wie und was wir mit unserer Produktion erzielten konnten, wurde uns die Gewerbegenehmigung innerhalb von 3 Monaten zugesprochen, somit konnte ich im September 1987 in unsere Gewerbetätigkeit einsteigen.

Als erstes hat Dieter Babbe im Dezember 1988, Redakteur der Zeitung : Lausitzer Rundschau über unsere Produktion berichtet.

Unsere Nachbarin von der Doppelhaushälfte, Frau Mösges, wollte zu ihrem Sohn nach Berlin ziehen und das Grundstück in der Herzberger Straße 18 verkaufen. Das war für uns die Gelegenheit, unser Gewerbe in diesem neuen Grundstück anzusiedeln, so haben wir die Produktion und das Lager in diesem Grundstück eingerichtet. Natürlich gab es wieder Probleme mit dem staatlichen Notar in Finsterwalde, der uns mitteilte, dass man in der DDR keine zwei Grundstücke besitzen darf. Sie stellten sich monatelang quer, bis Frau Mösges in Berlin einen Notar fand, der die Umschreibung des Grundstückes auf unseren Sohn Frank, der zur damaligen Zeit 13 Jahre alt war, vornahm. Wir durften als Verwalter bis zur Mündigkeit unseres Sohnes dieses Grundstück betreuen.

Wir haben auch in der DDR Willkür erlebt, aber nach der Wiedervereinigung mussten wir noch extremere Willkür ertragen.  (2013 bis 2023 unser Protest! )

Nachdem wir die Gewerbegenehmigung bekommen hatten, stellten wir unsere erste Mitarbeiterin Frau Rolke ein. Vom ersten Tag nahm sie dann die Produktion in den neuen Arbeitsräumen Herzbergerstrasse 18 auf. Wir richteten in dem gesamten Objekt Produktionsräume und im Keller Lagermöglichkeiten ein. Mit Silikonformen versuchten wir verschiedene Produkte zu gestalten, wie zum Beispiel Schwimmkerzen, Weihnachtsbäume, Schmuckbilder aus Wachs und vieles mehr. Da wir durch das jahrelange Drechseln auch viele Wachsabfälle zur Verfügung hatten, wurden diese dann mit Farbe gemischt und in Formen gegossen, danach an die Kunstgewerbegeschäfte, Drogerien sowie an Markthändler verkauft. Es dauerte nicht lange und das Kombinat VEB -Wittol wurde auf uns aufmerksam. Das Kombinat hatte eigene Handelsvertreter, die in Kunstgewerbegeschäften, Drogerien und Märkten ihre Waren angeboten haben und unsere Produkte als Konkurrenz betrachteten.  Vom Hauptsitz des VEB Wittol Lutherstadt Wittenberg wurde uns mitgeteilt, dass wir eine Preiskalkulation für unsere Produkte beim Kombinat vorlegen sollten. Wir fuhren mit unseren Produkten nach Wittenberg zum Kombinat legten unsere Kalkulation vor. Die Auswertung unserer Kalkulation wollte man uns schriftlich mitteilen.

Da sich im Sommer 1989 die Wiedervereinigung ankündigte, hörten wir vom Kombinat VEB Wittol Lutherstadt Wittenberg nichts mehr.

  • 01.03.2024